Bundeskartellamt tadelt aktuelle Situation beim öffentlichen Laden

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Daniel Krenzer
Daniel Krenzer
  —  Lesedauer 5 min

Dies könnte vage Hoffnungen auf künftig wieder niedrigere Strompreise beim öffentlichen Laden von Elektroautos machen: Das Bundeskartellamt hat seinen Abschlussbericht zur “Sektoruntersuchung zur Bereitstellung und Vermarktung öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge” veröffentlicht. Der Bericht identifiziert einer Pressemitteilung zufolge Wettbewerbsdefizite und zeigt auf, durch welche Maßnahmen wettbewerbliche Strukturen besser geschützt sowie gefördert werden können, um die Attraktivität und einen erfolgreichen Markthochlauf der E-Mobilität zu gewährleisten.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sagte demnach: „Der Wettbewerb bei der Versorgung mit Ladestrom funktioniert vielerorts nicht richtig. Zahlreiche Städte und Kommunen haben geeignete öffentliche Flächen für Ladesäulen überwiegend oder sogar ausschließlich an das eigene kommunale Stadtwerk oder einzelne Anbieter vergeben.” Weiterhin führte er aus: “Das hat jetzt unmittelbar zur Folge, dass es in vielen lokalen Märkten nur sehr wenige Anbieter von Ladesäulen und Ladestrom gibt. Dort ist die Konzentration so hoch, dass marktbeherrschende Stellungen entstehen. Im Ergebnis haben die Verbraucherinnen und Verbraucher kaum Auswahl und die Gefahr höherer Ladestrompreise steigt, weil marktmächtige Anbieter keine Wechsel zur Konkurrenz befürchten müssen. Ein Zustand, der durch bessere Rahmenbedingungen für Flächenvergaben eigentlich vermeidbar gewesen wäre.“

Die Ergebnisse der Sektoruntersuchung zeigen, dass insbesondere auf kommunaler Ebene eine diskriminierungsfreie Vergabe öffentlicher Flächen zu oft unterbleibt. Entlang der Autobahnen sei die Situation unterschiedlich, je nachdem, ob man bewirtschaftete Rastanlagen oder einfache Rastplätze betrachtet. An den einfachen Rastplätzen habe der Bund durch die Ausschreibung bundeseigener Flächen im Rahmen des sogenannten Deutschlandnetzes die Voraussetzungen für einen offenen Marktzugang für Ladesäulen deutlich verbessert. Bei den bewirtschafteten Rastanlagen sollen aber im Gegensatz dazu Parkplatzflächen auf der Grundlage langfristiger Konzessionen weiterhin insbesondere bei der Tank & Rast-Gruppe verbleiben. “Hier besteht ebenfalls die Gefahr, dass die Tank & Rast-Gruppe durch die ausschließlich eigene Nutzung der Flächen oder die Vergabe von Flächen an nur einige wenige Ladesäulenbetreiber die Entstehung marktmächtiger Stellungen fördert”, schreibt das Bundeskartellamt.

Vereinzelt seien hohe Preise gerechtfertigt

Gebietskörperschaften wie der Bund, Städte und Kommunen seien bei der Vergabe eigener Flächen nicht hoheitlich, sondern wirtschaftlich tätig. “Sie unterliegen damit dem Kartellrecht und dürfen im Zuge der Vergabe von öffentlichen Flächen den Wettbewerb zwischen verschiedenen, um die Flächen konkurrierenden Betreibern von Ladesäulen nicht beschränken”, heißt es im Bericht.

Die aktuellen Preisunterschiede an den Ladesäulen können demzufolge auf punktuell missbräuchlich überhöhte Preise hinweisen. “Wenn Anbieter über lokale Marktmacht verfügen, erhöht dies tendenziell den Anreiz und die Möglichkeit für Preiserhöhungen. Einzelne Preisüberhöhungen allein lassen allerdings noch nicht den Schluss zu, dass die Ladestrompreise in Deutschland systematisch und flächendeckend überhöht seien”, führt das Bundeskartellamt aus. Die Betreiber müssten noch ihre Investitionskosten für die errichtete Ladeinfrastruktur decken. Die Auslastung der Ladesäulen sei stellenweise aber noch sehr gering. Dies könne vereinzelt hohe Preise rechtfertigen.

Marktstarke Anbieter verkaufen allerdings vielfach nicht nur ihren eigenen Ladestrom an Endkundinnen und Endkunden, heißt es weiter. Vielmehr laden an diesen Ladesäulen auch diejenigen Autofahrerinnen und -fahrer, die über eine Ladekarte Strom über Mobilitätsdienstleister beziehen. “Die Preise und Bezugsbedingungen legen aber wiederum die Betreiber der Ladesäule fest. Lokal marktmächtige Betreiber können auf diese Weise die Strompreise dieser konkurrierenden Anbieter für Ladestrom im Verhältnis zu den eigenen Preisen missbräuchlich so hoch ansetzen, dass dem konkurrierenden Anbieter keine auskömmliche Marge verbleibt”, schreibt das Bundeskartellamt. Die Konkurrenz könnte dadurch vom Markt verdrängt oder vom Markteintritt abgehalten werden, was die Marktmachtprobleme zusätzlich befördert.

Kartellamt hat derzeit nur begrenzte Möglichkeiten

Der Abschlussbericht setzt sich ausführlich mit den kartellrechtlichen Möglichkeiten und der möglichen Weiterentwicklung des gesetzlichen Ordnungsrahmens für die E-Ladeinfrastruktur auseinander. Mithilfe des Kartellrechts könnten im Einzelfall diskriminierungsfreie Vergaben öffentlicher Flächen durchgesetzt werden. Auch gegen die aufgezeigten missbräuchlichen Behinderungspraktiken können Kartellbehörden vorgehen, wird in der Mitteilung erinnert. “Mit der jüngsten GWB-Novelle hat das Bundeskartellamt neue Befugnisse zur Entflechtung vermachteter Marktstrukturen erhalten. Im Bereich der E-Ladeinfrastruktur sind derzeit die strengen rechtlichen Voraussetzungen für solche Eingriffe aus heutiger Sicht nicht gegeben“, ist weiterhin zu lesen. Die Fusionskontrolle werde das Bundeskartellamt im Bereich der Ladeinfrastruktur weiterhin stringent durchsetzen. Allerdings seien einzelne Zusammenschlüsse in diesem Bereich der Fusionskontrolle aufgrund der gesetzliche Aufgreifschwellen und der sogenannten Bagatellmarktklausel entzogen.

Andreas Mundt sagte: „Ein kartellbehördliches Einschreiten kann nur von Einzelfall zu Einzelfall geprüft werden. In der Breite werden wirksame Verbesserungen hin zu mehr Wettbewerb insbesondere durch Anpassungen des gesetzlichen Ordnungsrahmens entstehen können. Vergaben öffentlicher Flächen sollten befristet und im Wege eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens erfolgen. Auch staatliche Fördermittel müssen grundsätzlich diskriminierungsfrei vergeben werden. Öffentliche Ausschreibungen der Fördermittel wie im Rahmen des Deutschland-Netzes sind hier das Mittel der Wahl.“

Für das Entstehen wettbewerblicher Strukturen seien bei Ausschreibungen die gewählte Losgröße und der Loszuschnitt von zentraler Bedeutung. Um die Anbietervielfalt und den Wettbewerb wirksam zu stärken, müsse insbesondere die begrenzte lokale Reichweite der betroffenen Märkte berücksichtigt werden.

Plädoyer für Durchleitungsentgelte

Andreas Mundt führt dazu aus: „Regulatorische Eingriffe insbesondere in die Preisgestaltung wären aus heutiger Sicht kontraproduktiv. Sie können die Wirtschaftlichkeit privater Ausbauprojekte in Frage stellen, Angebote verdrängen und den angestrebten Ausbau der Ladeinfrastruktur sogar hemmen. Gleiches gilt für die derzeit geplante gesetzliche Vorgabe für Tankstellenbetreiber, in festgelegtem Umfang an ihren Tankstellen Ladeinfrastruktur zu errichten. Ein reguliertes Durchleitungsmodell wie bei den Stromnetzen ist nach unserer Einschätzung derzeit ebenfalls der falsche Ansatz. Es ist insbesondere derzeit nicht erkennbar, dass dies für Verbraucherinnen und Verbraucher zu günstigeren Ladestrompreisen führen würde.“

In einem regulierten Durchleitungsregime könnten Endkundinnen und Endkunden ihren Ladestromanbieter an der Ladesäule selbst wählen. Der Betreiber einer Ladesäule wäre dazu verpflichtet, den Strom alternativer Ladestromanbieter gegen ein Entgelt durchzuleiten. “Dieses sogenannte Durchleitungsentgelt wäre zwar reguliert, aber dabei müssten die Kosten für Errichtung und Betrieb der Ladesäule voll berücksichtigt werden. Am Ende würden die Ladestromanbieter diese Kosten an die Endkundinnen und Endkunden durchreichen, die sie dann voll zu tragen hätten“, schreibt das Bundeskartellamt.

Potenziell wettbewerbsschädliche Folgewirkungen sollten demnach auch bei staatlichen Maßnahmen im Blick behalten werden, die primär auf eine Erhöhung der Preistransparenz oder eine Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit von Ladesäulen abzielen. “Denn die gestiegene Transparenz käme unweigerlich auch den Anbietern zugute. Dies könnte einem koordinierten Preissetzungsverhalten Vorschub leisten und den Preiswettbewerb damit schwächen“, heißt es abschließend.

Unter anderem Lichtblick hatte in der Vergangenheit immer wieder auf Diskriminierungen bei der Vergabe der Ladestandorte sowie die Monopolisierung einzelner Anbieter in bestimmten Regionen kritisiert.

Quelle: Bundeskartellamt – Pressemitteilung vom 1. Oktober 2024

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer

Daniel Krenzer ist als studierter Verkehrsgeograf und gelernter Redakteur seit mehr als zehn Jahren auch als journalistischer Autotester mit Fokus auf alternative Antriebe aktiv und hat sich zudem 2022 zum IHK-zertifizierten Berater für E-Mobilität und alternative Antriebe ausbilden lassen.
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Niko8888:

Leute, wenn ihr euch „abgezockt“ fühlt, weil euch Ionity, EnBW oder Tesla einen hoch modernen Ladepark nach dem anderen vor die Nase baut, und dafür um 45ct/kwh plus 9,90€ mtl (Tesla) verlangt, dann geht doch bitte weiter zu Shell, Aral und Co und tankt „günstig“ Benzin.

Problematisch ist derzeit das AC laden…da gibts KAUM Angebot weil damit niemand Geld verdient

Aber wenn’s KAUM Angebot gibt, kann man wenigstens nicht „abgezockt“ werden :-)

Ach übrigens, meine Wallbox zu Hause hat um 3.000€ gekostet. Das dauert ziemlich lange, bis ich das Geld durch günstigeres laden zu Hause wieder drin habe. Aber andere nehmen halt die Breitreifen und Sportsitze für das Geld. Da finde ich persönlich aber eine Wallbox die bessere Investition

Gerd:

Habe vor wenigen Wochen noch mit dem Kia bei Tesla NL für 29ct laden können. Da frage ich mich schon, was hier schief läuft.
Vielleicht sollten wir in D im ersten Schritt auch einfach mal unterschiedliche Stromtarifzonen einführen. Mit dann günstigerem Ladestrom in der Nordhälfte Deutschlands.

Peter Bigge von Berlin:

Gab es hierzulande bislang nicht !
Clever.dk ist mittlerweile seit 15 Jahren der größte nordische Energiedienstleistungs- und Ladelösungs-Anbieter mit über 35.000 eigenbetriebenen öffentlichen Ladestationen.
Des Weiteren werden verschiedenste PV-Nutzungslösungen angeboten, die selbst in Deutschland ihresgleichen suchen.

Gastschreiber:

Gab es hierzulande auch schon, die Anbieter gingen Pleite, also die liebe Wirtschaft hat es versucht, die lieben Kunden wohl nicht entsprechend einer wirtschaftlichen Betriebssituation genutzt.

Gastschreiber:

Auch wenn das gerne hergenommen wird, dann doch bitte eine Aufschlüsselung der Gesamtkosten um zu sehen, was im Schnitt mindestens verlangt werden muss bei der aktuellen Auslastung und dem durchschnittlichen Fördergeld.
Denn auf der einen Seite einen Schnitt auf der anderen Seite einen Maximalwert anzunehmen und einen adhoc-Preis als Bezug ist schon kein besonders seriöser Einstige, auch wird nie der komplette Investitionsbetrag gefördert und und und
Es gibt hierzu Betrachtungen und diese zeigen, man ist noch weit weg von einer Abzocke und ein wirtschafticher Betrieb ist so einfach nicht möglich.
Aber ja, ein günstiger Stromtarif könnte manchem den Einstieg erleichtern.
Ich persönlich glaube aber, Verbrauchskosten für ein Auto sind in den meisten Fällen ein vorgeschobenes Argument.

Peter Bigge von Berlin:

Das Angebot an Ladelösungen in Deutschland ist die pure Frechheit und Abzocke.
Man braucht nur über den Deckelrand ins Nachbarland Dänemark blicken.
Dort gibt es den Anbieter clever.dk, welcher ein ladesweites Lade-Abo für einen monatlichen Preis von umgerechnet 107 EUR/Monat anbietet, womit man an allen Clever-Ladestationen kostenlos laden kann, soviel wie man möchte, egal ob Schnelllader oder AC-Lader. Ggf. wird ein Energiezuschlag erhoben, wenn der Börsenpreis über 12 Cent/kWh liegt. (Anm. : Der Börsenpreis liegt derzeit bei 7 Cent/kWh)
Das Ladenetz ist sehr gut ausgebaut, d.h. gefühlt gibt es an jeder Ecke eine Ladestation.
Des Weiteren gibt es vom Anbieter entsprechende Lösungen für private und gewerbliche Ladestationen, und kostengünstigere für PHEVs.
So geht Elektromobilität, alles andere ist Wirtschafts-Sabotage.
Dann klappt es auch mit dem Verkauf von Stromern, liebe Wirtschaft und Politiker.

Martin Huber:

Die volle Überraschung!
An der Börse kostet die kWh im Monatsschnitt 7ct, an so mancher Ladesäule sind 70ct und mehr möglich – die Anbieter bekommen aber bis zu 100.000€ Förderung pro DC HPC.
Klar möchte keiner ein Minusgescäft machen, aber abzocken bis der Arzt kommt ist nicht dienlich!

steinpilz:

vereinzelt hohe Preise, können zu geringer Auslastung führen. mM.

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