Fraunhofer ISI: E-Fuels nicht sinnvoll bei Pkw und Lkw

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Günstigere Alternativen, hoher Energiebedarf zur Herstellung, fragwürdige Umweltbilanz und mögliches Hindernis für die Verkehrswende: Die Gründe, die gegen den Einsatz von mit Strom hergestellten synthetischen Kraftstoffen bei Pkw und Lkw sprechen, sind mannigfaltig. Zu diesem Schluss kommt ein neues Diskussionspapier des Fraunhofer ISI (als PDF verlinkt). Es nimmt kritisch und auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse Stellung zur jüngsten Entscheidung der Bundesregierung und der EU, die vorsieht, dass E-Fuels künftig eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Klimaneutralität im Verkehr spielen sollen.

Seit Monaten wird in Deutschland über den Einsatz von klimafreundlichen E-Fuels im Straßenverkehr diskutiert, weil sich damit per Verbrennungsmotor angetriebene Pkw und Lkw klimaneutral fortbewegen und gleichzeitig die ehrgeizen Klimaziele im Verkehrsbereich erreichen ließen – so die Argumentation der Befürworter. In ihrem kürzlich veröffentlichten Modernisierungspaket hat die Bundesregierung nun offiziell verkündet, die Produktion und Nutzung klimafreundlicher E-Fuels künftig für den Straßenverkehr zu fördern und auf europäischer Ebene bewirkt, dass ausschließlich mit E-Fuels betankte Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 in der EU zugelassen werden können.

Doch wie sinnvoll ist der Einsatz von E-Fuels im Straßenverkehr aus ökonomischer und ökologischer Sicht überhaupt? Mit diesen Fragen befasst sich ein neues Diskussionspapier des Fraunhofer ISI, das zur kontroversen Diskussion über E-Fuels einen Beitrag leisten und hier wissenschaftliche Forschungserkenntnisse einfließen lassen möchte. Dabei werden synthetische Kraftstoffe betrachtet, die auf Basis erneuerbaren Stroms hergestellt wurden.

Warum der Einsatz von E-Fuels wenig Sinn ergibt

Die Autor:innen des Diskussionspapiers kommen zum Schluss, dass der kurz- und mittelfristige Einsatz strombasierter E-Fuels im Straßenverkehr aus folgenden Gründen nach derzeitigem Wissensstand wenig Sinn ergibt:

– Die weltweite erneuerbare Stromproduktion müsste im Vergleich zum heutigen Stand fast verdoppelt werden, um im Jahr 2050 einen weltweiten Anteil von bescheidenen zehn Prozent an grünem Wasserstoff und synthetischen Brenn- und Kraftstoffen einschließlich E-Fuels zu erreichen – letztere werden daher noch lange knapp und teuer sein.

– Der Einsatz von grünem Wasserstoff und synthetischen Brenn- und Kraftstoffen sollte sich daher auf Anwendungsbereiche konzentrieren, in denen keine anderen wirtschaftlichen Alternativen zur Erreichung der Treibhausgasneutralität zur Verfügung stehen, wie den Stahlsektor, die Grundstoffchemie, Raffinerien und den internationalen Flug- und Schiffsverkehr. Alleine auf diese Anwendungen entfallen rund 15 Prozent des Endenergiebedarfs Deutschlands im Jahr 2045. Für den Straßenverkehr verblieben dann kaum nutzbare Mengen.

– Eine großflächige Nutzung von E-Fuels bei Pkw und Lkw ist ökonomisch nicht zielführend. Die Umwandlungsverluste sind enorm und Alternativen wie die direkte Elektrifizierung sind auf die Stromnutzung bezogen bis zu fünfmal effizienter. E-Fuels sind teuer und können von einkommensschwächeren Haushalten in Zukunft kaum bezahlt werden: Studien gehen nach dem Erreichen von signifikanten Kostensenkungspotenzialen für 2050 noch von einem Preis zwischen 1,20 Euro und 3,60 Euro pro Liter für E-Fuels aus – hinzu kommen aber noch Kosten für Steuern, Abgaben, Gewinnmargen, Vertrieb sowie für Forschung- und Entwicklung. Allein Steuern und Abgaben dürften den Literpreis bereits um einen Euro verteuern. Zum Vergleich: Der Literpreis für fossile Kraftstoffe ohne Steuern und Abgaben liegt aktuell bei ca. 0,60 bis 0,70 Euro pro Liter.

– Bewertet man die Kosten für den Klimaschutz, so liegen die CO2-Vermeidungskosten bei Pkw mit E-Fuels in 2030 bei gut 1000 Euro pro Tonne CO2 und damit um ein Vielfaches über denen der Elektromobilität oder anderer Klimaschutzmaßnahmen. Somit gibt es aus heutiger staatlicher Sicht hinsichtlich einer Klimaschutzstrategie nur wenig Gründe, aktuell E-Fuels bei Pkw und Lkw zu fördern.

– Die Umweltbilanz von E-Fuels ist ebenso problematisch wie bei Benzin und Diesel: Bei ihrer Verbrennung im Motor fallen NOx, Kohlenmonoxid und Feinstaub an. Zudem ist der Gesamtwirkungsgrad gering und der Energiebedarf für die Herstellung hoch. Der dafür erforderliche starke Ausbau an Stromerzeugungskapazitäten ist u.a. mit einem enormen Flächen- und Ressourcenbedarf an kritischen Rohstoffen verbunden, der sich in der Ökobilanz von E-Fuels negativ auswirkt.

– Die kurzfristige Markteinführung von E-Fuels ist aus Sicht der Technologieoffenheit nicht notwendig. Nach heutiger Planung sollen E-Fuels die heute gültigen Kraftstoffnormen erfüllen, so dass motorenseitig sowie bei den Tankstellen keine weiteren Entwicklungen notwendig sind. Somit geht es um die Herstellung von synthetischen Brenn- und Kraftstoffen und dem Produktionshochlauf, die die Technologieoffenheit bestimmen. Da diese aber für andere Anwendungsfelder wie den internationalen Flugverkehr notwendig sein werden, ist davon auszugehen, dass die Entwicklung von E-Fuels unabhängig vom Straßenverkehr voranschreiten wird.

Sollten sich die heutigen wissenschaftlichen Prognosen für E-Fuels wider Erwarten als zu pessimistisch erweisen, so könnte ihr Einsatz für den Straßenverkehr auch noch später stärker erwogen werden.

Eine Gefahr für die Antriebswende?

Prof. Dr. Martin Wietschel, Leiter des Competence Centers Energietechnologien und Energiesysteme am Fraunhofer ISI und Mitautor des Diskussionspapiers, weist zudem auf mögliche Gefahren für die gesamte Verkehrswende hin: „Aus Sicht der heutigen Studienlage könnte sich die Förderung von E-Fuels im Straßenverkehr negativ auf die Verkehrswende auswirken, da ihr Einsatz und ihre Verfügbarkeit derzeit wirtschaftlich und ökologisch nicht zielführend ist. Aus Innovationssicht gesehen könnten notwendige Initiativen in Richtung Elektromobilität oder andere alternative Mobilitätsformen verlangsamt werden – denn zum Gelingen der Verkehrswende braucht es auch klare Signale sowie Planungs- und Erwartungssicherheit.

Quelle: Fraunhofer ISI – Pressemitteilung vom 04.04.2023

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Hendrik:

Zu dem grottenschlechten Wirkungsgrad von E-Fuels kommt auch noch der bei nur ca. 20% liegende Wirkungsgrad vom Verbrenner-Antrieb (ca. 80% bei Elektro-Antrieb).
So gesehen gehe ich davon aus, dass der vehemente Einsatz für E-Fuels und das Festhalten an dieser Möglichkeit (was vor allem für Flugzeuge Sinn macht) einer Partei helfen soll, ihre Umfragewerte zu Verbessern (..hat auch geklappt).

Silverbeard:

Minister Wissing hat leider keine Zeit, dieses Papier zu lesen, er muß Verkehrsschilder suchen…

Robert:

Alles richtig, trotzdem wären kleine haltbare 1-3 L Autos mit max 1.5L Hubraum z. B. Vor allem in den ärmeren Ländern eine Alternative, stattdessen werden die Pkws, on electric oder Verbrenner immer Grösser UND überladener, der Anspruch in den Reichen Ländern IST zum Schreien. Die kleine Autos gab es schon, die wollte nur niemand haben.

Daniel W.:

6 kluge Köpfe sind im Prinzip zum gleichen Ergebnis gekommen, das ich auch immer wieder hier in die Kommentare schreibe – jetzt sollten das auch die Politiker zur Kenntnis nehmen.

Die Energie- und Verkehrswende voran zu bringen ist eine mühsame Sache, da zuviele Egoisten wider besseres Wissens ihr eigens “Gewinn-und-Posten-Süppchen” kochen wollen.

Anderen Ländern den Ökostrom zu nehmen, das hilft dem Klima überhaupt nicht. Besser wäre es die geplanten PV- und Windkraftanlagen für E-Fuels den Bürgern dieser Länder sowie den Nachbarländern für deren Energie- und Verkehrswende mit Wärmepumpen und E-Autos zur Verfügung zu stellen – davon hätte die ganze Welt und auch wir viel mehr.

MMM:

Ja. Vollumfängliche Zustimmung.
Ich würde allerdings noch einen Punkt hinzufügen:

Länder, besonders in Afrika und auf der Südhalbkugel verzeichnen auch unabhängig von einer “Energiewende” einen stark wachsenden Strombedarf.
Um diesen Strombedarf zu decken, werden dort in großem Umfang Kraftwerke gebaut werden.
Um die CO2-Emissionen weltweit zu begrenzen, muss das natürlich basierend auf erneuerbaren Energien geschehen. Das kann über entsprechende Kooperationen und Entwicklungsprogramme auch erreicht werden.
Allerdings ist es völlig widersinnig, Strom, den man mit hoher Effizienz vor Ort zur Dekarbonisierung einsetzen könnte, für die massiv verlustbehaftete Herstellung von eFuels zu verschwenden.
Unter dem Strich wird dabei mehr CO2 produziert.

Robert:

diesen Bericht sollten mal die öffentlichen Medien mal veröffentlichen damit mal allen klar wird was e-fuels bedeuten.

“Pkw und Lkw klimaneutral” das entspicht nicht den Klimazielen die Ziele sind den Schadfstoffausstoß auf den Stand von 1990 zu senken und nicht auf diesen klimaveränderten hohen Stand den wir jetzt haben zu belassen

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