Eigenversuch: BMW i5 mit Autobahnassistent

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Stefan Grundhoff
Stefan Grundhoff
  —  Lesedauer 5 min

Beim hoch automatisierten Fahren hakt es mächtig. Noch vor wenigen Jahren schien der Schritt in eine automobile Zukunft ohne Hände am Steuer nicht mehr weit. Doch der große Sprung nach vorn dauert länger als von vielen erwartet. Der Autobahnassistent des neuen BMW 5ers / i5 soll die Wartezeit überbrücken.

Autonomes Fahren: Aktuelle Angebote und Systemlimitierungen

Das Angebot der Fahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen ist abgesehen von träge werkelnden Einparkassistenten überaus überschaubar. Mercedes bietet seine S-Klasse und das elektrische Gegenüber EQS mittlerweile mit einem Level-3-System an, bei dem der Fahrer erstmals nicht auf die Straße achten muss. Problem: das System funktioniert aktuell allein in Deutschland, nur bis Tempo 60 im Kolonnenverkehr und allein auf Autobahnen und Schnellstraßen. Die anderen Modelle, die wie Audi A8 oder BMW iX einst für die Fahrerassistenzstufe drei angekündigt wurde, bieten das System, bei dem der Autohersteller die Haftung für etwaige Unfälle übernimmt, aktuell nicht an. Überraschend, dass auch der noch junge BMW 7er oder die Hightech-Limousine der Mercedes E-Klasse beim Level-3-System aktuell patzen.

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Gleiches gilt für den neuen BMW 5er, der ab Herbst als Verbrenner und Elektroversion i5 zu bekommen ist. Auch hier hatten einige das teilautonome Fahren der Stufe drei erwartet und schauen nun ebenfalls in die Röhre, während die Businesslimousine aus München so viel Hightech bietet, dass man sich fragt, wieso gerade dieses System fehlt. Immerhin bietet BMW bei seinem neuen Oberklassemodell mit dem Autobahnassistenten ein Trostpflaster an, das wirken soll. Wir haben den Eigenversuch gemacht, ob die neue Fahrfunktion den Fahrer im Alltag wirklich entlasten kann. Aktuell ist das System nur in Deutschland und den USA zugelassen. Mit einem Prototyp waren wir jedoch auf portugiesischen Autobahnen unterwegs.

Praxistest des BMW 5er Autobahnassistenten

Von außen sieht das Auto aus wie eine ganz normale 5er-Limousine neuester Bauart. Nur die großen Aufkleber auf dem Fahrzeug und der Hinweis des BMW-Ingenieurs, dass es sich um einen besonderen Prototyp mit einer Ausnahmegenehmigung handelt, weisen auf die erweiterten Fahrfunktionen hin. Es geht hinaus aus der portugiesischen Metropole über die gigantische Tejo-Brücke Richtung Süden. Die Freigabe des Ingenieurs auf dem Beifahrersitz kommt schneller als erwartet und als das Tempolimit 80, 100 und dann 120 km/h anzeigt, folgt das Placet. Knopf am Lenkrad gedrückt und ab geht die Post im elektrischen BMW i5. Die grünen Anzeigen in der Instrumenteneinheit belegen nur, was man im Lenkrad spüren könnte, wenn man die Hände am Steuer hätte. Das System ist eingeschaltet und arbeitet, denn der Prototyp hält problemlos und sicher seine Spur – kilometerlang. Doch die beiden Hände sind längst in den eigenen Schoß gewandert, zunächst gefaltet und drehen auf den nächsten Kilometern Däumchen, während der BMW sicher seine Bahnen zieht und die umgebenden Fahrzeuge wohl kaum eine Ahnung haben, dass hier die nahe Zukunft rollt.

Fahrzeuge voraus und so bieten die Instrumente im Head-Up-Display eine Überholfunktion an, weil der weiße Renault Kangoo mit weniger als 100 km/h unterwegs ist. Ein Blick nach links in den Spiegel, danach über die Schulter aus dem Seitenfenster und der BMW setzt vollautomatisch seinen Blinker, zieht vorbei und schert nach kurzer Kontrolle wieder auf die alte Fahrspur ein. Beim nächsten Mal klappt es ebenfalls perfekt – beim dritten Mal hakt es. Der Grund soll im zu nah auffahrenden Fahrzeug auf der mittleren Spur liegen. Okay – das scheint zu stimmen, denn mit dem nötigen Abstand zieht der dunkle Bayern wieder nach rechts. Das alles geschieht übrigens mit einer dunklen Sonnenbrille vor den Augen – da kann man durchaus einmal angetan sein.

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Als ein Hinweiston eine ankommende Kurznachricht auf dem Smartphone signalisiert, geht der Griff des Fahrers zur Ladeschale in der Mittelkonsole. Ein kurzer Blick auf die Nachricht und der lautere Hinweiston vom verärgerten BMW folgen. Die Sensoren in der Instrumenteneinheit haben bemerkt, dass die Augen ein paar Sekunden von der Fahrbahn entfernt wurden. Wer es länger macht, bewegt das System zur Zwangsabschaltung. Genau das macht den Unterschied zwischen der Fahrerassistenzstufe 2+ und 3. Beim 2+-System wie im neuen BMW 5er ist allein der Fahrer dafür verantwortlich, Herr der Verkehrslage zu sein. Beim Level-3-System springt der Autohersteller nicht nur faktisch, sondern auch juristisch in die Bresche. Möglich macht die teilautomatisierte Fahrt mit aktivem Spurwechselassistenten durch eine Hightech-Vernetzung. So ist die Limousine mit einem neuen Software-Stack nebst leistungsstarker Rechenplattform und einer 5G-Anbindung an die BMW Cloud ausgestattet.

Den Rest erledigen Kameras, Ultraschall- und Radarsensoren der jüngsten Generation. Eine Echtzeit-Navigationskarte mit exakten Streckenverläufen, sorgt nebst GPS-Ortung für einen präzisen Positionsbestimmung nebst Umfeldüberwachung.

Urteil zum Fahren mit dem BMW i5 mit Autobahnassistent

Nach der Testfahrt kann man von der Funktionsweise des Level-2+-Systems im neuen BMW 5er nur angetan sein, denn es funktioniert auch bei starker Sonneneinstrahlung, munterem Innenstadtverkehr und einem Fahrer mit dunkler Sonnenbrille bis zu einer Geschwindigkeit von 130 km/h wirklich klasse. Nur, die so dazugewonnene Zeit kann nicht zum Lesen von Manuskripten oder dem Checken von E-Mails genutzt werden. Man kann die Hände in den Schoß legen und macht den Blinkerhebel arbeitslos. Doch das dürfte den meisten Nutzern zu wenig sein – insbesondere, weil die Fahrfunktion einen entsprechenden Aufpreis kosten wird. So bleibt einem nichts anderes üblich, auf die einst so wortreich proklamierten Level-3-Systeme zu warten, bei denen man am Steuer dann wirklich arbeiten kann – oder einmal nur entspannen. Ohne die Augen immer auf die Fahrbahn richten zu müssen.

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist Firmeninhaber und Geschäftsführer von press-inform und press-inform consult. Er ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.
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brainDotExe:

Sehe ich ähnlich. Ich habe Spaß am (selber) Fahren.
Der Driving Assistant Professional hätte 2300€ Aufpreis gekostet, das ist es mir nicht wert.

Läubli:

Schön, danke für die Info… ich werde mich daher hüten, ein neues Auto zu kaufen, ich möchte diesen obligatorischen Schnickschnack aktuell am liebsten nicht haben!

Obwohl es sicher zur Kollisionsverhinderung beitragen wird.
Es ist mir auch klar, dass es eines Tages das sogenannte sichere, unfallverhindernde Auto geben wird und man es nicht mehr schaffen wird, z.B. auf den Vordermann aufzufahren, auch wenn man es provoziert.

Mein Grund der Ansicht dazu ist immer noch: Ich fahre gerne, ich möchte “noch” kein komplett autonomes Auto, das alles selbst und alleine entscheidet. Sowas finde ich gegenwärtig noch als krasse Bevormundung meiner selbst.

ABER: Wenn man dann beim Hinsetzen nur noch per Sprachbefehl das Ziel mitteilen muss und das Auto fährt schnell und sicher dort hin – sodann bin ich aber wieder dabei. Dann kann ich auf dem Weg z.B. in die Ferien ein Glas Wein während der Newslektüre und danach gleich noch den Whisky mit Cigarre geniessen. Also komme ich völlig entspannt im Ferienhaus an und kann mich unbesorgt über Bussen usw. gleich zu Bett legen und über die alten, mühsamen Zeiten träumen, wo man die Karre noch selber lenken musste, ja sogar noch die volle Verantwortung innehatte, dass man heil ankam. ;)

Marc:

Ich weiß nur nicht, ob du weißt, dass die EU dir und deinen Fähigkeiten nicht so richtig vertraut. Ab nächsten Juli ist ein System in jedem Neuwagen vorgeschrieben, das automatisch bei jedem Start aktiv wird, die vorgeschriebene Geschwindigkeit erkennt und automatisch in deinem Auto einstellt. Das System wird also deutlich eingreifen, nennt sich ISA.

Läubli:

Ich kann den ganzen Rummel zu dieser Sache kaum verstehen. Ich fahre auch gerne Auto und brauche den Assistenten (standard Autopilot) meist nur wenn ich müde bin und vor allem auf der Autobahn – da hingegen ist das super und funktioniert tadellos, es entspannt vor allem das nächtliche Fahren oder im Stau sehr.

Bis alle Privatmenschen von einem Autonom fahrenden Auto profitieren können, vergehen sowieso noch Jahrzehnte – da bin ich fest überzeugt!

brainDotExe:

Das kommt darauf an ob man diese 50 Minuten selber Fahren als lästig oder willkommen (spaßige) Abwechslung sieht.

Ich fahre gerne Auto und auf der Autobahn mit 160-200 km/h macht mir das auch viel Spaß. Daher habe ich auch nahezu keine Fahrassistenten bestellt.

Zugegeben ich fahre ich nicht jeden Werktag, sondern max. zwei Tage die Woche auf die Arbeit. Home-Office sei Dank.

Jörg:

Dann. nimm doch den ÖV…

Dann hast du sogar mehr als 50 Minuten Zeit ;-)

Steven B.:

Dann. nimm doch den ÖV…

Model 3 Fahrer:

Wieso sinnlos?

Ich fahre jeden (Werk-) Tag ca. 50 Minuten Autobahn. Typische Geschwindigkeiten zwischen 90 und 130 km/h, je nach Verkehrsaufkommen.

Könnte ich autonom fahren, hätte ich jeden Tag 50 MInuten mehr Zeit. E-Mails beantworten, Zeitung lesen, einfach mal die Augen zumachen… das wäre schon ein echter Komfortgewinn.

Marc:

Wer zuerst beantragt, schreibt damit bei den Normen mit. In den USA sind die Zulassungen auf eine ähnliche Geschwindigkeit begrenzt, nämlich 40 Meilen. Mercedes gibt in seinen Presse-Veröffentlichungen daher keinesfalls den Normen die Schuld, sondern sieht sich als aktiven Treiber in dem Prozess hin zu 130 km/h. Dasselbe werden wir beim autonomen Fahren nach Level 4 sehen, denn hier hat Waymo eine Vollzulassung beantragt und die NHTSA hat gesagt, sie wird die Kriterien dafür gemeinsam mit Waymo erarbeiten.

WolWag:

Ich finde autonomes Fahren bei höheren Geschwindigkeiten ziemlich sinnlos. Interessant ist der Stauassistent bis 60 km/h und das automatische Parken.

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