Viele Kommunen drohen die E-Mobilität zu verschlafen

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Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 3 min

Der Hochlauf der Elektromobilität in Deutschland ist seit Jahren beschlossen und in vollem Gange, doch in fast der Hälfte aller deutschen Gemeinden gab es Anfang 2023 immer noch keinerlei öffentliche Ladeinfrastruktur. Kommunen, die das Thema nicht anpacken, drohen in den kommenden Jahren abgehängt zu werden. Davor warnte bereits Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP): „Die Kommunen, die eine schlechte Ladeinfrastruktur haben, werden das spüren“, sagte er bereits vor einigen Monaten. Er empfehle jeder Bürgermeisterin und jedem Bürgermeister, „das Thema sehr, sehr ernst zu nehmen“. Vielerorts ist trotzdem noch immer nichts passiert.

Es ist egal, ob man persönlich ein Befürworter der Elektromobilität ist. Politisch wurde dieser Weg auf EU- und Bundesebene gewählt, und wer sich dem als Kommune verschließt, der wird in schwierige Fahrwasser geraten“, sagt Andreas Varesi, Ausbilder für IHK- und DEKA-zertifizierte E-Mobilitätsberater sowie Dozent für Innovationsthemen an der Universität Augsburg. Träumereien von Wasserstoff und E-Fuels als mögliche Alternativen änderten daran nichts, denn diese Technologien seien im Vergleich zur batterieelektrischen Mobilität ineffizient, teuer und lediglich für Nischen geeignet. „Der Großteil der zukünftigen Mobilität in Deutschland wird elektrisch sein“, ist sich Varesi sicher. Und Kommunen, in denen E-Autos unkompliziert und zuverlässig aufgeladen werden können, dürften in Zukunft von immer mehr Menschen gezielt für ihre Erledigungen aufgesucht werden.

Viel Know-How vonnöten

Doch warum scheuen so viele Kommunen nach wie vor den Schritt, öffentliche Ladeinfrastruktur aufzubauen? Vermutlich, weil viel Know-how in den unterschiedlichsten Bereichen benötigt wird. „Technisch, rechtlich, baulich und wirtschaftlich sind da einige Dinge zu beachten. Vor allem für kleinere Kommunen kann das schnell zur unübersichtlichen Herkulesaufgabe werden“, gibt Andreas Varesi zu bedenken. Wie viele Ladepunkte sind sinnvoll? Wo sollten sie stehen? Wie werden sie ans Stromnetz angeschlossen? Ist das Netz überhaupt ausreichend leistungsstark? Welche Sicherheitsvorschriften müssen eingehalten werden? Wie werden die Ladeplätze richtig beschildert? Diese und viele weitere Fragen könnten laut Varesi im ersten Moment auf Behörden eine abschreckende Wirkung entfalten. Für jeden Teilbereich gebe es Expertinnen und Experten, aber kaum jemand überblicke bei diesem komplexen Thema das große Ganze.

Die Schwierigkeiten hat auch der der Deutsche Städte- und Gemeindebund erkannt – und bereits 2020 die Installation sogenannter kommunaler Elektromobilitätsmanager:innen gefordert. In Niedersachsen sind entsprechende Verantwortliche seit 2021 im Auftrag des Verkehrsministeriums erfolgreich im Einsatz. Bisher gebe es allerdings weder ein definiertes Berufsbild noch eine konkrete Ausbildung zum kommunalen Elektromobilitätsmanager:innen.

Das wollte Varesi ändern – und hat als Vorreiter gemeinsam mit der DEKRA ein entsprechendes Ausbildungskonzept entwickelt. „Wir wollen den Kommunen dabei helfen, das Thema gesamtheitlich anzugehen“, sagt der Augsburger, der mit der emobile academy die DEKRA-zertifizierte Ausbildung von Expertinnen und Experten der Elektromobilität bundesweit vorantreibt.

Nachteile ohne Ladeinfrastruktur?

Dafür sei es für die Behörden meist sinnvoller und wertvoller, eigene Mitarbeiter:innen mit dem nötigen Know-how auszustatten, anstatt viel Geld für externe Berater:innen auszugeben. Und nicht jede Kommune müsse bei Null anfangen, da die Erfahrungen aus anderen Gemeinden in die Ausbildung mit einflössen. „Das Thema E-Mobilität wird sich nicht einfach wieder erledigen – das ist schon beim Internet nicht passiert. Wer sich jetzt nicht auf die Mobilität der Zukunft einstellt, der wird als Kommune erhebliche Nachteile haben“, ist der Experte überzeugt.

Quelle: emobile academy – Pressemitteilung vom 15.06.2023

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.
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Smartino:

Zumindest die meisten grösseren Dörfer haben eine Tankstelle.

Darum sollten sie auch eine Lademöglichkeit haben.
Wenn diese nicht vorhanden ist, soll gerne die Kommune mit ihren eigenen Werken einspringen zum Wohle der Einwohner.

Smartino:

“Elektroautos müssen nicht laden, wenn sie stehen.”

Lädt ein Taycan wenn er fährt?

Philipp:

Klar, aber die meisten Gemeinden haben nicht ein eigenes Stadtwerk und wenn man sich manche Beispiele so ansieht, sind die größeren Stadtwerke gerne versteckte Goldesel für die Stadtkasse.

Die SWM z.B. verkauft den eigen produzierten Strom über die Ladesäulen an die Kunden weiter. Eigenproduktion ist hierbei >90% (durch die Offshorebeteiligungen) und auch >90% erneuerbar. Warum ist also die SWM ein unglaublich teurer Ladestromanbieter in München mit faktischem Monopolcharakter bei den Ladesäulen?

Eine offene Ausschreibung der Ladesäulen wäre durchaus angebracht.

MMM:

Die Stadtwerke. Die können das am einfachsten umsetzen, da sie für die lokalen Stromnetze sowieso schon zuständig sind.
Bei uns wird es auch so gemacht.

MMM:

In unserer Kleinstadt sind es überwiegend (also nicht ausschließlich) EFH oder kleinere MFH.
Trotzdem haben wir auf städtischen Parkplätzen und auf dem Parkplatz unserer Stadtwerke Ladesäulen – dort zwar nur 22 kW, aber die werden sehr gut genutzt, weil sie von den umliegenden Häusern/Straßen gut zu erreichen sind. Es wäre vermutlich kein Fehler, auf weiteren öffentlichen Plätzen ähnliche Ladepunkte einzurichten.

Philipp:

Für Ottonormalverbraucher ist eine 30-40kWh Batterie ausreichend.
Denn für den täglichen Pendelverkehr reicht die allemal und nur für den Fall der Fälle >4000€ extra auszugeben ist nunmal Unsinn.

Meinst Du es macht Sinn in einen Polo einen 60l Tank einzubauen, falls man mal doch 800km am Stück Autobahn fahren wollte oder reicht der eingebaute 40l Tank aus?

Reinhard:

Ich halte dass für ein Scheinproblem, fernab jeder Praxis. Es muss nicht in jedem kleinen Dorf eine öffentliche Lademöglichkeit angeboten werden. Die Leute dort haben in aller Regel ein eigenes Grundstück mit eigener Wallbox sofern sie elektrisch fahren. Und auch wenn der Besucher kommt und unbedingt laden muss (wird dank größerer Akkus immer weniger nötig) findet sich auf dem Dorf bestimmt eine freundliche Wallbox.

Marc:

Dieses Thema ist völlig überbewertet. Elektroautos müssen nicht laden, wenn sie stehen. Sie haben indessen ausreichend große Akkus. Wenn eine Gemeinde Besucher von weiter entfernt haben möchte, die mit dem Auto kommen, und dort mehrere Stunden bleiben, werden sie erste Parkplätze mit Ladesäulen ausstatten. Und werden dann sehen, ob sie angenommen werden.

Ich war neulich im Harz im Bikepark. Da gabs keine Ladestation. Aber, so what? Nach 240 km hatte der Akku noch genügend Energie hatte, zumal ich eine Frühstücksrast bei McD zum nachladen genutzt hatte. So musste man auch auf dem Rückweg nicht laden.

brainDotExe:

Sehe ich ähnlich.
Warum sollte man in Dörfern öffentliche Ladestationen bauen, wenn diese so gut wie nie genutzt werden?

Philipp:

Eine Frage steht aber gar nicht hier: Ist es Aufgabe der Gemeinden selber zum Ladeanbieter zu werden, oder ist das nicht eh Aufgabe von speziellen (privaten) Unternehmen.

Am Anfang der eMobilität gab es noch keinen Markt, da kann die öffentliche Hand hier gerne eingreifen. Im Grunde haben das auch damals schon die Versorgungstöchter der Gemeinden übernommen (Stadtwerke). Ich bezweifle, dass normale Gemeinden solche Töchter überhaupt haben.

Wer soll also Träger der Ladeinfrastruktur für durchschnittliche Gemeinden werden?

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