Wie Spirit-E Elektro-Lkw alltagstauglich machen will

Cover Image for Wie Spirit-E Elektro-Lkw alltagstauglich machen will
Copyright ©

MAN

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Der jüngste Vorschlag der Europäischen Kommission ist ambitioniert: Die CO2-Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge sollen bis 2040 um 90 Prozent verringert werden. Das ist auch dringend notwendig, schließlich sind Nutzfahrzeuge im europäischen Straßenverkehr für gut ein Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Batterieelektrische LKW zeichnen sich dabei gegenwärtig als geeignetste Lösung ab: Eine Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen mit Batterietechnologie bietet das größte Potential für eine nachhaltige Emissionsreduktion. Die angestrebte Antriebswende stellt jedoch sowohl Fahrzeughersteller als auch Spediteure vor große Herausforderungen: Hoher Kostendruck gepaart mit hohen Anforderungen an Nutzlast, Reichweite und Effizienz sind limitierende Faktoren.

Mehrere Unternehmen aus der Energiewirtschaft, der Industrie und Wissenschaft erproben deshalb in praxisnahen Reallaboren, wie bidirektionales Laden und eine reservierbare private Ladeinfrastruktur in bestehende Energiesysteme und -netze erfolgreich integriert werden kann.

Für den effizienten Betrieb von Elektro-Lkw bieten sich Lenk- und Ruhezeitpausen sowie allgemeine Standzeiten etwa beim Be- und Entladen zum Auffrischen der Batteriespeicher an. Hierfür ist eine gut ausgebaute und flexibel zugängliche Ladeinfrastruktur mit hohen Ladeleistungen bis in den Megawatt-Bereich notwendig, die Stand jetzt allerdings nahezu nicht verfügbar ist. Bei öffentlicher Ladeinfrastruktur kommen die langen Prozesszeiten bei Planung, Genehmigung und Bau sowie der Platzmangel entlang der Logistikhauptachsen bzw. Autobahnen erschwerend hinzu.

Reallabore erforschen Ladeinfrastruktur anwendungsnah

Das Forschungsprojekt Spirit-E hat das Ziel, die bestehenden Hürden in der Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs zu identifizieren und praxisorientierte Lösungen zu erarbeiten. Dazu werden an zwei Logistikstandorten Reallabore aufgebaut und Entwicklungsergebnisse in ihrer Praxistauglichkeit erprobt. Das Projekt verfolgt den aussichtsreichen Lösungsansatz, die private Ladeinfrastruktur an Logistikstandorten externen Spediteuren und deren Fahrzeugen zur Verfügung zu stellen.

Durch Reservierungsmöglichkeiten der einzelnen Ladepunkte soll die geteilte Ladeinfrastruktur effizient genutzt werden. Um die Nutzfahrzeuge in das lokale Energiesystem und übergeordnet in das Stromnetz zu integrieren, erfolgt zudem die Implementierung von bidirektionalem Laden, was Potentiale für innovative energiewirtschaftliche Anwendungen eröffnet und Umsatzpotenzial bietet. Das erfordert vielfältige Innovationen in den Bereichen Fahrzeugtechnik, Ladehardware, (bidirektionales) Lade- und Energiemanagement sowie Kommunikationsschnittstellen zwischen allen Beteiligten.

Bidirektionales Laden eröffnet neue Möglichkeiten

Durch die Verfügbarkeit der privaten Ladepunkte für externe schwere Nutzfahrzeuge erreichen Spediteure und Depotbetreiber eine höhere Auslastung ihrer Ladeinfrastruktur. Eine gemeinsame und gut geplante Nutzung vermeidet Engpässe, nutzt Ressourcen effizient und refinanziert Investitionen des Betreibers schneller.

Um eine zuverlässige Planung der Ladepunkte und Leistungskapazitäten sicherzustellen, wird ein digitales Reservierungssystem entwickelt und im Reallabor getestet. Im Betrieb reservieren Eigen- sowie Fremdfahrzeuge Ladepunkte, was reibungslose Abläufe sowie eine gerechte Ressourcenverteilung gewährleisten soll, sowohl im Logistikdepot als auch im öffentlichen Ladenetz.

Die bidirektionale Ladefunktion ermöglicht darüber hinaus neue, energiewirtschaftliche Anwendungsmöglichkeiten, indem überschüssige Energie ins Netz zurückgespeist und der Fahrzeugspeicher vermarktet wird. Das führt zu neuen Geschäftsmodellen und erheblichen Kostenvorteilen für Depotbetreiber. Darüber hinaus können Lastspitzen am Logistikstandort vor allem in Hinblick auf erneuerbare Energien reduziert werden und system- sowie netzdienliches Be- und Entladen betrieben werden.

Für den reibungslosen Betrieb müssen relevante Informationen zwischen den beteiligten Marktakteuren souverän ausgetauscht werden. Daher werden in Spirit-E Datenräume integriert, die eine Kopplung von Energie- und Transportsektor-Daten sicherstellen.

Es steht und fällt mit einer intelligenten Verknüpfung

Damit verbunden ist eine intelligente Netz- und Systemintegration in bestehende Stromnetze: Das Energiesystem steht mit dem Übergang zu vielen dezentralen Erzeugungseinheiten geringerer Leistung und dem Wegfall von zentralen Kraftwerken im mehrstelligen MW-Leistungsbereich vor enormen Herausforderungen. Essenzielle Systemdienstleistungen wie Frequenzhaltung oder Engpassmanagement stammen aufgrund steigender Einspeisung volatiler Energiequellen von Wind und Sonne zunehmend aus neuen Flexibilitätsquellen. Neben dem Netzausbau müssen daher neue Prozesse, IT-Systeme und standardisierte Schnittstellen definiert und entwickelt werden, um die neuen dezentralen Verbrauchseinrichtungen zu integrieren. Auch das ist ein Ziel von Spirit-E.

Das Forschungsprojekt Spirit-E ist ein gemeinsames Forschungsvorhaben führender Unternehmen und Forschungseinrichtungen und wurde im August 2023 gestartet. Es wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit einer Laufzeit von drei Jahren im Rahmen des Förderprogrammes „Begleitforschung Elektro-Mobil“ gefördert. Projektträger ist das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR). Unter den beteiligten Partnern befinden sich viele weitere bekannte Namen:

  • Technische Universität München (Konsortialführer und Begleitforschung Betriebsstrategie)
  • MAN Truck and Bus (bidirektionale E-LKW und Flottenlademanagement)
  • Forschungsstelle für Energiewirtschaft (Begleitforschung energiewirtschaftliche Integration)
  • SBRS (Entwicklung bidirektionaler Ladehardware)
  • Fraunhofer Institut für Energiesysteme und Energiewirtschaft (Aggregationsleitsystem und Datenaustausch)
  • Hubject (Roaming, Plug and Charge und Reservierungssystem)
  • Consolinno Energy (Flexibilitätsdatenaggregation und Messdaten)
  • TenneT (Systemdienstleistungen)

Durch das breite Spektrum der beteiligten Partner könne das gesamte Ökosystem der Transportelektrifizierung abgedeckt und eine ganzheitliche und praxisnahe Herangehensweise gewährleistet werden. Spirit-E will damit einen bedeutenden Schritt vollziehen in Richtung einer umweltfreundlichen und nachhaltigen Zukunft für den Nutzfahrzeugverkehr.

Quelle: Tennet – Pressemitteilung vom 16.01.2024

worthy pixel img
Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
Sidebar ads

E-Mobilität bewegt – auch dich?

Dann teile diesen Artikel mit deinem Netzwerk. Denn jeder Beitrag bringt uns der nachhaltigen Mobilität ein Stück näher. ⚡🚗🔋🌍💚

Artikel teilen:

Schreib einen Kommentar und misch dich ein! 🚗⚡👇


Ähnliche Artikel

Cover Image for DIW-Ökonomin fordert sozial gerechtere E-Auto-Strategie

DIW-Ökonomin fordert sozial gerechtere E-Auto-Strategie

Daniel Krenzer  —  

Die Expertin vom DIW wünscht sich mehr Anreize für die Elektromobilität, die auch Menschen mit geringeren Einkommen ansprechen.

Cover Image for AvD fordert: E-Autos für Privatpersonen besser fördern

AvD fordert: E-Autos für Privatpersonen besser fördern

Daniel Krenzer  —  

Auch der AvD vermisst bei den bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung unter anderem das angekündigte Sozialleasing.

Cover Image for General Motors bringt Super Cruise nach Europa

General Motors bringt Super Cruise nach Europa

Redaktion  —  

General Motors bringt mit Cadillac nicht nur neue Modelle nach Europa, sondern auch Super Cruise – ein System, das freihändiges Fahren erlaubt.

Cover Image for Lyten übernimmt Batterie-Werk von Northvolt in Danzig

Lyten übernimmt Batterie-Werk von Northvolt in Danzig

Sebastian Henßler  —  

Lyten übernimmt Northvolts Speicherwerk in Danzig – und bringt seine Lithium-Schwefel-Technologie erstmals in die europäische Serienproduktion.

Cover Image for Peugeot bringt Allrad-Versionen für E-3008 und E-5008

Peugeot bringt Allrad-Versionen für E-3008 und E-5008

Sebastian Henßler  —  

Zwei neue Allradversionen ergänzen Peugeots E-Portfolio: E-3008 und E-5008 mit 239 kW, 73 kWh Batterie und umfangreicher Launch Edition starten ab 60.000 Euro.

Cover Image for Hyundai Ioniq 9 startet bei 68.500 Euro – das steckt drin

Hyundai Ioniq 9 startet bei 68.500 Euro – das steckt drin

Sebastian Henßler  —  

Der neue Ioniq 9 kombiniert 620 km Reichweite, bis zu 2,5 Tonnen Anhängelast und eine Ladezeit von 24 Minuten auf 80 Prozent – bei 110 kWh Akkukapazität.