Verkehrswende: E-Autos sind nicht die Lösung – aber ein Anfang

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Daniel Krenzer
Daniel Krenzer
  —  Lesedauer 3 min

Ein Kommentar von Daniel Krenzer

„E-Autos haben mit einer Verkehrswende nichts zu tun, nur mit einer Antriebswende“, lautete kürzlich ein Kommentar unter einem Beitrag auf Elektroauto-News.net. Auf den ersten Blick mag das stimmen, auf den zweiten Blick sind Elektrofahrzeuge aber in der Tat ein wichtiger Baustein.

Dafür braucht es zunächst einen Blick darauf, wie „Verkehrswende“ überhaupt definiert ist. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) schreibt: „Die Verkehrswende soll zu einem grundlegenden Umbau des Verkehrssystems und einem Umstieg der Gesellschaft auf umweltfreundliche Mobilität führen.“ Fachlichen Definitionen nach wird die Verkehrswende zudem als gesellschaftlicher, technologischer und politischer Prozess beschrieben, der neben der klimafreundlicheren Fortbewegung auch auf eine Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel setzt, um diese in Summe effizienter und nachhaltiger zu machen.

Ein 1:1-Tausch ist keine Verkehrswende

Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiten Verkehrspolitik und -planung mit drei Ansätzen: Vermeidung, Verlagerung und Verbesserung. Dass E-Autos nichts mit einer Verkehrswende zu tun haben sollen, stimmt schon allein deshalb nicht, weil die Elektrifizierung von Anteilen bestehender Fahrzeuge eindeutig der Verbesserung zuzuordnen ist. Aber es stimmt natürlich auch, dass nur wenig im Sinne einer Verkehrswende erreicht wäre, wenn alle Pkw mit Verbrennungsmotoren einfach 1:1 durch elektrische Fahrzeuge ersetzt werden würden.

Dabei ist es im Sinne einer echten Verkehrswende sogar von Vorteil, dass E-Autos in manchen Bereichen ein paar Nachteile mit sich bringen: Lange Fahrten werden komplizierter und zäher – und vergleichbar leistbare Fahrzeuge werden kleiner. Das kann zum einen zu Verlagerungen führen – auf längeren Strecken ist die Bahn plötzlich wieder eine Alternative -, aber auch zur Vermeidung. Denn statt eines kleinen Zweitwagens für innerstädtische Fahrten ist plötzlich das Fahrrad vielleicht wieder die sinnvollere, weil deutlich wirtschaftlichere Lösung.

Gefühl der Freiheit muss erhalten bleiben

Natürlich ist es erst einmal ziemlich unattraktiv, dass Menschen aufgrund finanzieller Aspekte auf lieb gewonnene Gewohnheiten verzichten sollen. Deshalb kann eine echte Verkehrswende nur gelingen, wenn attraktive Alternativen vorhanden sind, wie zum Beispiel: Günstige oder sogar kostenlose Shuttles im Stadtbereich, ein preiswerter und zuverlässiger ÖPNV, Subventionierung von (Lasten-)Fahrrädern, sichere Radwege getrennt von anderen Verkehrsteilnehmern sowie unkomplizierte Mobilitätsangebote für Menschen, für die längere Fußwege und Fahrradfahrten nicht umsetzbar sind. Natürlich wird es immer Teile der Gesellschaft geben, die solche Schritte kritisieren. Doch wenn es vor Ort gelingt, dass sich neue Verkehrskonzepte nicht wie ein Verlust von Freiheiten, sondern wie eine Bereicherung anfühlen, dann können Verkehrswenden oder zumindest -wendchen gelingen.

Doch gerade in Deutschland tun wir uns mit diesem Thema mitunter schwer – aus teils nachvollziehbaren Gründen. Viele Jobs hängen direkt oder indirekt von der Automobilindustrie ab. Viele Deutsche interpretieren sich als Bewohner eines Autolandes, in dem es selbstverständlich ist, dass jedes volljährige Familienmitglied einen eigenen Pkw lenkt. Diese Gewohnheiten führen dazu, dass fast ausschließlich die A-Gruppen (Alte, Auszubildende, Ausländer, Arme) den Öffentlichen Nahverkehr nutzen – und dieser wiederum wegen der geringen Nachfrage nicht attraktiver ausgebaut wird. Und deshalb wiederum verstärkt sich der Eindruck, dass ein Leben ohne Pkw ja undenkbar wäre.

Ausbruch aus dem Teufelskreis?

Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, könnte es durchaus helfen, wenn mit der Elektrifizierung der Pkw-Flotte alte Gewohnheiten durchbrochen werden und jeder gezwungen ist, seine Mobilität einmal neu zu überdenken – auch wenn das für den Einzelnen sehr unbequem sein kann. Vielleicht haben wir dann am Ende nicht einfach alle Pkw im Sinne einer Antriebswende durch neue Fahrzeuge ersetzt, sondern im Sinne einer echten Verkehrswende durch Verlagerung einen Teil des Individualverkehrs vermieden – und dabei das Angebot verbessert.

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer

Daniel Krenzer ist als studierter Verkehrsgeograf und gelernter Redakteur seit mehr als zehn Jahren auch als journalistischer Autotester mit Fokus auf alternative Antriebe aktiv und hat sich zudem 2022 zum IHK-zertifizierten Berater für E-Mobilität und alternative Antriebe ausbilden lassen.
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Wolfbrecht Gösebert:

… mit Biogas […] ist die Umweltbilanz so vergleichbar mit der eines E-Autos, das ausschließlich mit Ökostrom geladen wird.”

Dennoch wird ständig giftiges Abgas in die Umgebung abgegeben!

Und selbst?

Pkw:
Mitte 2012 erstmals elektrisch gefahren. Seit Mitte 2014 reinelektrisch mit eig. ePkw und >95% zertifiziertem Grünstrom (EWS) unterwegs. Alle 1–2 Jahre leihe ich einen 2-t-Verbrenner für einen 1.000 km Anhängertransport aus …
Urlaub:
Mit eAuto zum Fernbahnhof, ICE o.ä., eAuto ausleihen, zum Urlaubsort fahren … am Ende retour.
[Warum schreibe ich Kommentare zu schnell – bloß wg. einer Korrektur?]
Ok – das reicht erstmal :)

Wolfbrecht Gösebert:

… mit Biogas […] ist die Umweltbilanz so vergleichbar mit der eines E-Autos, das ausschließlich mit Ökostrom geladen wird.”

Dennoch wird ständiges giftiges Abgas in die Umgebung abgegeben!

Und selbst?

Mitte 2012 erstmals elektrisch gefahren. Seit Mitte 2014 reinelektrisch mit eig. Pkw und >95% zertifiziertem Grünstrom (EWS) unterwegs. Alle 1–2 Jahre leihe ich einen 2-t-Verbrenner für einen >500 km Anhängertransport aus …

Daniel Krenzer:

Auf dem Land stellt der Verkehr insgesamt auch weniger ein Problem dar. Und gerade dort, wo fast jeder eigene Ladeinfrastruktur errichten könnte, ist Elektromobilität das ideale Mittel, um an den Rand von Städten zu gelangen – und von dort dann am besten weiter mit dem ÖPNV.

Daniel Krenzer:

Hallo Gruschi,

dienstlich fahre ich als journalistischer Testfahrer immer wieder ganz verschiedene Modelle mit Fokus auf die E-Mobilität.

Privat nutze ich einen Skoda Scala G-Tec, den ich nahezu ausschließlich mit Biogas betanke, das aus Abfallquellen und nicht aus potentiellen Lebensmitteln hergestellt wird. Laut Fraunhofer Institut ist die Umweltbilanz so vergleichbar mit der eines E-Autos, das ausschließlich mit Ökostrom geladen wird.

Da ich innenstadtnah im zweiten Stock ohne eigenen Stellplatz wohne und die Ladeinfrastruktur hier noch eher mäßig ausgebaut ist, ist das CNG-Auto für mich derzeit der wirtschaftlichere und praktikablere Weg. Das Auto benötige ich überhaupt nur, weil meine Haupt-Arbeitsstätte 85 Kilometer entfernt ist (Lebensgefährtin arbeitet in der entgegengesetzten Richtung) und ich mit dem ÖPNV von Tür zu Tür zwei Stunden unterwegs wäre, mit dem Auto sind es 50 Minuten.

In der Stadt bin ich je nach Wetter mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs, bei größeren Städten parke ich in der Regel am Stadtrand P+R und nutze innerstädtisch die Öffentlichen.

Ist sicher noch nicht optimal, aber auch ich bin vor wirtschaftlichen und bequemlichen Überlegungen nicht gefeit. Und selbst?

Freundlich grüßt
Daniel Krenzer

Helmut L.:

Wieder einmal wurden die Bedürfnisse und Notwendigkeiten der Landbewohner ignoriert.

Michael Steigerwald:

Eigentlich wie alle Antworten zur Verkehrs- oder Energiewende: Macht ihr erst mal was! Solange nicht all meine Forderungen erfüllt sind, mache ich so weiter wie bisher.

Aladar Duck:

Das mit den Robotaxis sehe ich anders, es wird der Individualverkehr zunehmen das sieht man schon in den USA mit dem Ubertaxis. Man macht sich keine Gedanken mehr über unnötige Fahrten, der ÖPNV wird gemieden und die Straßen werden voller wie vorher. Robotaxis eignen sich nicht große Mengen an Personen zu transportieren zu geringe Förderleistung ist ganz einfach. Die Leerfahrten dieser Fahrzeuge werden auch zunehmen. Dann schauen wir mal

Ralph:

Jahrzehntelang wurden die Menschen auf Flexibilität und Tempo getrimmt. Schnell schnell hierhin und dorthin und bloß keine Zeit verschwenden. Die Städte wurden auf kurze Wege zwischen dem Auto und den Läden getrimmt, Schnellimbisse wurden zu DriveInns und selbst Geldtempel führten Autoschalter ein.
Und dann kommen plötzlich ein paar Politiker aus ihren Sicherheitslöchern, rufen laut “Verkehrswende” und die Menschen sollen mit fliegenden Fahnen auf Fahrräder, Busse und Bahnen umsteigen und Fahrzeiten mit zwei bis dreifachen Wegezeiten umsteigen. Und dabei auch noch größte Begeisterung zeigen. Und wenn sie das nicht tun sind sie die Bösen. Isso!
Hier bei uns habe ich die wissenschaftlich fundierten Pläne (mit Forschungsprojekt und so) kennengelernt. Da sollten min. 5.000 Pendler vor der Stadt zum Umstieg auf den ÖPNV gebracht werden. Dafür geplant waren einige hundert Parkplätze. Neue Mathematik für die Verkehrswende?
So lange wie es keine Alternativen gibt wird (fast) niemand umsteigen. Und diese Alternativen müssen funktionieren und das nicht nur auf dem Papier. Wenn diese Reihenfolge nicht eingehalten wird, sind alle Bemühungen jetzt schon zum Scheitern verurteilt.

Gruschi:

Was fùr eim Auto fährt Daniel ?

S. Eckardt:

VOR DEM SCHADEN KLUG SEIN!
Mit Zähneputzen fängt man sinnvollerweise auch nicht erst an, wenn die Zähne schmerzen…

Klimawandel wird dich (und deine Nachfahren) definitiv auf die eine oder andere Weise betreffen.
Also besser nicht gleichgültig sein, wenn es um sinnvolle Stragegien gegen die Erderwärmung geht.

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