166.000 E-Autos in Deutschland können bidirektional Laden

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Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 3 min

Aktuell sind rund 166.000 Elektroautos in Deutschland technisch in der Lage, Strom nicht nur aufzunehmen, sondern auch wieder abzugeben. Angesichts von über einer Million E-Autos auf deutschen Straßen ist das ein vergleichsweise kleiner Anteil. Dabei steckt hinter dem sogenannten bidirektionalen Laden eine Idee mit großem Potenzial: das Auto als mobiler Stromspeicher.

Wenn ein Auto täglich viele Stunden ungenutzt herumsteht, bleibt die gespeicherte Energie in der Batterie ungenutzt. Warum diesen Strom nicht verwenden – etwa im Haushalt oder zur Unterstützung des Stromnetzes? Genau das macht bidirektionales Laden möglich. Strom fließt nicht nur ins Auto, sondern bei Bedarf wieder zurück.

Bisher aber kommt diese Technik kaum zum Einsatz. Der Hauptgrund: Die meisten Elektroautos sind dafür nicht ausgerüstet. Nur ein kleiner Teil – eben jene 166.000 Fahrzeuge – verfügt über die nötige Technologie. Zudem fehlen in vielen Fällen passende Wallboxen, rechtliche Vorgaben und wirtschaftliche Anreize.

Dort, wo es technisch funktioniert, eröffnen sich neue Möglichkeiten. Einige Autos können bereits heute Strom an andere Geräte abgeben. Diese sogenannte „Vehicle-to-Load“-Funktion ermöglicht es, beim Campen oder im Garten Elektrogeräte mit Energie zu versorgen. Auch „Vehicle-to-Vehicle“ ist möglich – dabei hilft ein Auto mit voller Batterie einem anderen mit leerer Batterie aus.

Vehicle-to-Home und -to-Grid derzeit nur in Pilotphase

Komplizierter wird es bei Anwendungen wie „Vehicle-to-Home“ oder „Vehicle-to-Grid“. Bei der ersten Variante kann Solarstrom gespeichert und abends im Haushalt genutzt werden. Die zweite geht noch weiter: Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist, um Engpässe abzufangen. Beide Varianten befinden sich in Deutschland allerdings noch in Pilotphasen.

Wichtig für alle Varianten ist ein Auto, das Strom wieder abgeben kann. Manche Modelle mit dem CHAdeMO-Standard – etwa von Nissan oder Mitsubishi – sind seit Jahren dazu fähig. In Europa dominiert allerdings der CCS-Standard. Fahrzeuge wie der Hyundai Ioniq 5 oder der Kia EV6 besitzen bereits die Voraussetzungen dafür, ebenso einige Modelle von Renault. Allerdings erfordert die Umsetzung eine standardisierte Kommunikation zwischen Auto und Ladepunkt – geregelt durch die Norm ISO 15118-20, die flächendeckend frühestens ab 2027 zum Einsatz kommt.

Beim Thema Ladeinfrastruktur gibt es Unterschiede. Bei Fahrzeugen des VW-Konzerns ist eine DC-Wallbox nötig, weil dort der Wechselrichter im Auto fehlt. Diese Wallboxen erlauben es, Gleichstrom in beide Richtungen zu übertragen – also vom Netz ins Auto und zurück. Solche Systeme kosten mehrere Tausend Euro.

Anders ist es bei anderen Herstellern. Fahrzeuge mit integrierter V2L-Funktion – etwa von Hyundai, Kia oder Renault – besitzen bereits einen Wechselrichter im Auto. Dadurch kann Wechselstrom direkt ausgegeben werden. Für bidirektionales Laden über das Hausnetz reicht bei diesen Modellen eine AC-Wallbox, die technisch darauf vorbereitet ist. Ein Beispiel ist die Kathrein KWB-AC40, die für etwa 1000 Euro erhältlich ist und für Vehicle-to-Home oder Vehicle-to-Grid vorbereitet wurde.

Renault betont, dass AC-basierte Lösungen der praktikablere Weg für den breiten Einsatz seien. Denn solche Systeme sind günstiger und lassen sich einfacher in bestehende Hausnetze integrieren. Damit könnte bidirektionales Laden auch für private Nutzer attraktiver werden – zumindest technisch.

Trotzdem bleiben weitere Hürden bestehen. Das Stromnetz muss mit Rückspeisung umgehen können. Ohne intelligentes Lastmanagement kann die Stabilität gefährdet werden. Gleichzeitig fehlen klare Regeln: Wer darf Strom ins Netz einspeisen? Wie wird der eingespeiste Strom vergütet? Und wie lässt sich verhindern, dass doppelte Gebühren anfallen?

Die geringe Zahl geeigneter Autos, der fragmentierte Markt bei der Infrastruktur und offene rechtliche Fragen bremsen die Entwicklung. Robin Zalwert vom TÜV-Verband sieht dennoch Chancen: „Wenn wir die Batterien von E-Autos sinnvoll einsetzen, können sie Teil der Energiewende werden – und Haushalte beim Stromsparen unterstützen.“ Politische Unterstützung gibt es bereits. Im Koalitionsvertrag ist bidirektionales Laden als Ziel verankert.

Solange jedoch nur ein Bruchteil der Elektroautos in Deutschland technisch vorbereitet ist, bleibt das Konzept eine vielversprechende Idee – mit klaren Hürden auf dem Weg in den Alltag.

Quelle: TÜV-Verband – Bidirektionales Laden: Wie E-Autos zu Stromlieferanten werden

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.
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Udo:

Und ???
Die Energie Lobby wird das so lange verzögern wie möglich
Da bringt jemand kostenlos Strom von der Arbeit mit und speist Sie abends ein und bekommt Geld dafür

Nee nee so nicht

Pedro G.:

Solange bidirektionales Laden nicht Pflicht bei jeden E-Auto ist wird es sich in der Zukunft auch nicht viel ändern ⁉️

E. Wolf:

Regulatorisch ist für V2H nichts offen: Es gibt keine regulatorischen Hürden, vgl. Drucksache 20/14985, vom 14.2.2025, Seite 3 – Mitte: Für V2H sind keine verbleibenden regulatorischen Hürden bekannt.

Eine Wallbox ist eh notwendig, dann doch gleich eine DC-BiDi-Wallbox.

Im Prinzip kann jedes eAuto mit CCS-Buchse BiDi Laden. Die Hardware sitzt außen an “der Wand” – und erfüllt die VDE-AR 4105, analog zum Heimspeicher !

Das eAuto muß “nur die Füße stillhalten”, wenn es entladen wird und nicht “panisch” das DC-Schütz wieder öffnen.

Es könnte so einfach sein !!!

E. Wolf:

In einem kürzlichen Webinar hatte entweder der VW- oder ambibox Vertreter geäußert: 20 W seinen komplett ausreichend für das BMS im eAuto.
OEM’s müßen halt Effinzienz noch lernen.

Es geht auch nicht um die Nacht, es geht um den Tag in der Übergangszeit.

Ab 22 Uhr kann der Heimspeicher übernehmen, dann wird nicht mehr “gekocht”.

E. Wolf:

Eine Wallbox wird eh benötigt, dann doch gleich eine DC-BiDi-Wallbox.

Die Kosten werden auf ca. 1 – 2 k€ sinken, es gibt keinen Grund warum sie teuerer als ein 10 kWp PV -WR sein sollten.

… udn mit 4,2 kW wird das eAuto auch voll, dann bleibt der Netzfürst mit seinem §14a, EnWG außen vor.

Marcel:

Ich denke V2H wäre für mich ein Grund ein Bidi-fähiges E-Auto zu kaufen, günstiger als zusätzlicher Batteriespeicher und man kann mit der Powerbank sogar noch fahren.
Aber die DC-Wallboxen müssten zu einem Preis um die 2000€ liegen, derzeit 10’000 € ist absurd.

HGS:

Wer eine PV-Anlage hat, braucht eigentlich nur nachts Netzstrom. Um diese 100W
Grundlast abzudecken, werden bidirektional dann vom Bordystem 200-300W zusätzlich verbraucht.
Zusammen mit den Kosten der bidi-Wallbox wird V2H so jedenfalls kein Selbstläufer werden.

Arno Seitzinger:

“ich würde mir heute kein Fahrzeug auf Basis des heutigen Standes auswählen”

Also lieber weiter mit Diesel fahren?

So gesehen darf man sich nie etwas kaufen, v.a. keinen Computer oder Handy.

Eines ist doch schon abzusehen: es wird bei uns deutsch-gründlich überreguliert und kaum zur Anwendung kommen.

V2L ist für mich sehr wichtig, kann mein Auto auch. Für die meisten aber wohl völlig unwichtig, sonst gäbe es das doch schon in mehr Modellen

wolf:

Ich würde so gerne Strom für 8cent ins öffentlich Netz einspeisen, den ich am Supercharger für 87cent gekauft habe??? Spaß beiseite, finde ich gut. Habe Solaranlage mit Speicher und Enyaq an der Wallbox. Das könnte funktionieren, wird aber seit Jahren von vielen Seiten blockiert

Gastschreiber:

Ich denke, irgendwann wird das Standard, ich würde mir heute kein Fahrzeug auf Basis des heutigen Standes auswählen, erinnert etwas an Plug&Charge vor vielen Jahren. Auch sehe ich noch Herausforderungen bzgl. der Batteriegarantie und vor allem Degradation. Wenn heutige Fahrzeugt bis zu 10% “normale” Degradation in den ersten 100.000km haben, wenn diese viel DC und immer mal wieder auf 100% laden, würde eine intensive Nutzung von V2G das nur noch steigern. Am Ende würde für die Hersteller die Gefahr bestehen, dass die Akkus alles Garantiefälle werden bei intensiver V2G Nutzung oder man beschränkt die Nutzung, wie bei VW auf einen Bereich, der am Ende dann doch nur V2L abdeckt in einem Autoleben.
Aber V2L, das dürfte der interessant sein und sich zum Standard entwickeln, ähnlich wie eine Anhängerkupplung. Die braucht auch nicht jeder aber wenn man sie braucht, kann man es einfach bestellen.

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