Aktuell sind rund 166.000 Elektroautos in Deutschland technisch in der Lage, Strom nicht nur aufzunehmen, sondern auch wieder abzugeben. Angesichts von über einer Million E-Autos auf deutschen Straßen ist das ein vergleichsweise kleiner Anteil. Dabei steckt hinter dem sogenannten bidirektionalen Laden eine Idee mit großem Potenzial: das Auto als mobiler Stromspeicher.
Wenn ein Auto täglich viele Stunden ungenutzt herumsteht, bleibt die gespeicherte Energie in der Batterie ungenutzt. Warum diesen Strom nicht verwenden – etwa im Haushalt oder zur Unterstützung des Stromnetzes? Genau das macht bidirektionales Laden möglich. Strom fließt nicht nur ins Auto, sondern bei Bedarf wieder zurück.
Bisher aber kommt diese Technik kaum zum Einsatz. Der Hauptgrund: Die meisten Elektroautos sind dafür nicht ausgerüstet. Nur ein kleiner Teil – eben jene 166.000 Fahrzeuge – verfügt über die nötige Technologie. Zudem fehlen in vielen Fällen passende Wallboxen, rechtliche Vorgaben und wirtschaftliche Anreize.
Dort, wo es technisch funktioniert, eröffnen sich neue Möglichkeiten. Einige Autos können bereits heute Strom an andere Geräte abgeben. Diese sogenannte „Vehicle-to-Load“-Funktion ermöglicht es, beim Campen oder im Garten Elektrogeräte mit Energie zu versorgen. Auch „Vehicle-to-Vehicle“ ist möglich – dabei hilft ein Auto mit voller Batterie einem anderen mit leerer Batterie aus.
Vehicle-to-Home und -to-Grid derzeit nur in Pilotphase
Komplizierter wird es bei Anwendungen wie „Vehicle-to-Home“ oder „Vehicle-to-Grid“. Bei der ersten Variante kann Solarstrom gespeichert und abends im Haushalt genutzt werden. Die zweite geht noch weiter: Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist, um Engpässe abzufangen. Beide Varianten befinden sich in Deutschland allerdings noch in Pilotphasen.
Wichtig für alle Varianten ist ein Auto, das Strom wieder abgeben kann. Manche Modelle mit dem CHAdeMO-Standard – etwa von Nissan oder Mitsubishi – sind seit Jahren dazu fähig. In Europa dominiert allerdings der CCS-Standard. Fahrzeuge wie der Hyundai Ioniq 5 oder der Kia EV6 besitzen bereits die Voraussetzungen dafür, ebenso einige Modelle von Renault. Allerdings erfordert die Umsetzung eine standardisierte Kommunikation zwischen Auto und Ladepunkt – geregelt durch die Norm ISO 15118-20, die flächendeckend frühestens ab 2027 zum Einsatz kommt.
Beim Thema Ladeinfrastruktur gibt es Unterschiede. Bei Fahrzeugen des VW-Konzerns ist eine DC-Wallbox nötig, weil dort der Wechselrichter im Auto fehlt. Diese Wallboxen erlauben es, Gleichstrom in beide Richtungen zu übertragen – also vom Netz ins Auto und zurück. Solche Systeme kosten mehrere Tausend Euro.
Anders ist es bei anderen Herstellern. Fahrzeuge mit integrierter V2L-Funktion – etwa von Hyundai, Kia oder Renault – besitzen bereits einen Wechselrichter im Auto. Dadurch kann Wechselstrom direkt ausgegeben werden. Für bidirektionales Laden über das Hausnetz reicht bei diesen Modellen eine AC-Wallbox, die technisch darauf vorbereitet ist. Ein Beispiel ist die Kathrein KWB-AC40, die für etwa 1000 Euro erhältlich ist und für Vehicle-to-Home oder Vehicle-to-Grid vorbereitet wurde.
Renault betont, dass AC-basierte Lösungen der praktikablere Weg für den breiten Einsatz seien. Denn solche Systeme sind günstiger und lassen sich einfacher in bestehende Hausnetze integrieren. Damit könnte bidirektionales Laden auch für private Nutzer attraktiver werden – zumindest technisch.
Trotzdem bleiben weitere Hürden bestehen. Das Stromnetz muss mit Rückspeisung umgehen können. Ohne intelligentes Lastmanagement kann die Stabilität gefährdet werden. Gleichzeitig fehlen klare Regeln: Wer darf Strom ins Netz einspeisen? Wie wird der eingespeiste Strom vergütet? Und wie lässt sich verhindern, dass doppelte Gebühren anfallen?
Die geringe Zahl geeigneter Autos, der fragmentierte Markt bei der Infrastruktur und offene rechtliche Fragen bremsen die Entwicklung. Robin Zalwert vom TÜV-Verband sieht dennoch Chancen: „Wenn wir die Batterien von E-Autos sinnvoll einsetzen, können sie Teil der Energiewende werden – und Haushalte beim Stromsparen unterstützen.“ Politische Unterstützung gibt es bereits. Im Koalitionsvertrag ist bidirektionales Laden als Ziel verankert.
Solange jedoch nur ein Bruchteil der Elektroautos in Deutschland technisch vorbereitet ist, bleibt das Konzept eine vielversprechende Idee – mit klaren Hürden auf dem Weg in den Alltag.
Quelle: TÜV-Verband – Bidirektionales Laden: Wie E-Autos zu Stromlieferanten werden