Betrachtung: So unrealistisch ist induktives Laden während der Fahrt

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Wolfgang Gomoll
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  —  Lesedauer 4 min

Bei den Visionen für die Elektromobilität der Zukunft spielen elektrifizierte Straßen, die das induktive Laden während der Fahrt ermöglichen, immer wieder eine Rolle. Eine realistische Bestandsaufnahme zeigt jedoch, dass die technischen und bürokratischen Hürden recht hoch sind.

Die Vorstellung klingt verlockend: Das Elektroauto wird kontaktlos geladen, während es fährt. Die Konsequenzen des En-Passant-Stromtankens wären weitreichend und überwiegend positiv. Ein Gedränge an den Ladesäulen wird verhindert und vor allem könnten die Batterien eines Elektroautos bis zu 70 Prozent kleiner dimensioniert werden, als das bisher der Fall ist. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Chalmers University of Technology in Schweden. “Schließlich laden viele Menschen ihr Auto nach Feierabend und in der Nacht auf, was das Stromnetz stark belastet. Wenn man stattdessen gleichmäßiger über den Tag verteilt auflädt, würde die Spitzenlast deutlich reduziert werden“, führt Sten Karlsson, einer der Autoren der Studie aus.

Damit wäre ein großer Kosten- wie auch Rohstofffaktor deutlich reduziert – und die Reichweitenangst würde zudem endgültig der Vergangenheit angehören. Laut der Untersuchung, die sich auf die Daten und Fahrgewohnheiten von mehr als 400 Autos stützt, müsste lediglich die europäischen und nationalen automobilen Hauptverkehrsadern befähigt werden, die Autos während des Fahrens mit Strom zu versorgen. “Technisch ist induktives Laden von E-Autos keine Science-Fiction mehr, zumindest wenn das Fahrzeug steht. Leistungen von bis zu 200 kW werden bei Bussen in Deutschland erprobt“, erklärt Philipp Seidel, Automobilexperte der Strategieberatung Arthur D. Little.

Tatsächlich laufen bereits Versuche mit solchen elektrischen Straßen: unter anderem in China, Frankreich und Schweden. In Bayern ist ein Projekt für das Jahr 2025 geplant, bei dem eine Strecke von einem Kilometer Länge einer Autobahn unter Strom gesetzt wird. Die Kosten für dieses Teilstück sollen bei etwa acht Millionen Euro liegen. Nicht nur deswegen ist bei den meisten Autobahn-Projekten die Elektrifizierung von nur einer Fahrspur vorgesehen. „Die Infrastrukturkosten sind gewaltig und der Aufbau einer flächendeckenden Versorgung würde Jahrzehnte dauern“, verdeutlicht Philipp Seidel. Wenn man sich vor Augen hält, wie schwer sich ein Land wie Deutschland tut, eine ausreichend dichte Infrastruktur mit klassischen Ladesäulen aufzubauen, kann man sich in etwa ausmalen, wie das Ganze aussieht, wenn man die Straßen elektrifiziert.

Wie das gelingen könnte, erprobt Stellantis in Norditalien. Auf dem Testgelände, mit dem vielsagenden Namen „Arena del Futuro“, haben die Experten ebenfalls einen Kilometer Asphalt elektrifiziert und erproben das induktive Laden mit einem Fiat 500e und einem Iveco E-Truck. Gerade für die Logistikbranche wäre diese Technik ein Segen. Die Techniker setzen auf Gleichstrom (DC) ohne Wandlungsverluste und auf Aluminiumschleifen, die günstiger sind als Kupferkabel, die man ursprünglich verwenden wollte und haben so angeblich Ladeleistungen von bis zu 70 kW erreicht. Ob sich dieser Wert dauerhaft in der Praxis bewahrheitet, wird die Zeit zeigen.

Die bisher entwickelten Systeme, die das induktive Laden ermöglichen, erlauben nur einen geringen Spielraum bei der Distanz von Ladespule zu Empfänger, hier war eine sehr genaue Ausrichtung nötig. Wohlgemerkt bei statischen Vorrichtungen. Wie das Ganze bei Geschwindigkeiten jenseits der 100 km/h gelingen soll, stellt eine echte Herausforderung für die Ingenieure dar.

“Die Idee halte ich für wenig zielführend”

Andreas Radics, Managing Director Berylls Group pflichtet bei: „Die Idee, E-Autos beim Fahren zu laden, halte ich für wenig zielführend. Bislang gibt es nur wenige prototypische Feldversuche dazu, die offenbaren aber bereits gravierende Schwächen der Technologie. Zum einen wäre da der Wirkungsgrad. Er liegt in den Feldversuchen bei Werten um 85 Prozent, das ist zu niedrig, um von einer effizienten Ladetechnologie zu sprechen.“

Die Erfahrungen der letzten Jahre untermauern die Analyse des Berylls-Experten. E-Auto-Hersteller und Zulieferer tun sich seit Jahren schwer damit, induktive Ladelösungen für stationäres Laden zu attraktiven Konditionen auf dem Markt zu bringen“, sagt Philipp Seidel und ergänzt: „Allerdings sehen wir derzeit eine ganze Reihe an Problemen. Selbst bei der stationären Lösung müssen hier die Kosten des Systems, die Effizienz und die Praktikabilität angesprochen werden. Zum Beispiel hatte Audi 2017 für den e-tron und den A8 Plug-in-Hybrid ein solches System angekündigt, das Projekt aber 2019 wieder beendet: zu teuer und zu wenig Kundennachfrage.“

Daher explodieren nicht nur die Kosten des Straßenbaus, auch die Fahrzeuge müssen zusätzliche Technik und Hardware wie Metallschleifen mit sich herumschleppen, die zudem platzsparend im Boden untergebracht werden müssen. Neben den technischen Herausforderungen macht das die Vehikel wieder etwas teurer und frisst den finanziellen Vorteil der kleineren Batterien womöglich wieder auf. Als ob die Wenns und Abers nicht genug wären, kommt bei fliegenden Laden auch noch die Frage der Normung auf, also der Kompatibilität der jeweiligen Lösungen verschiedener Hersteller auf Sender- wie auch Empfängerseite. Denn nur, wenn diese Form des induktiven Ladens möglichst europaweit über alle Fahrzeugmarken und Anbieter von Ladehardware hinweg funktioniert, hat diese Technik eine Zukunft.

Wie schwer das umzusetzen ist, hat allein schon die Suche nach einem EU-genormten Handyladekabel gezeigt. Und das ist technisch eine Kleinigkeit gegen induktive Ladeschleifen plus die ganze technisch-elektrische Peripherie. „Aus meiner Sicht sind schnellladefähige E-Fahrzeuge und High-Power-Charger entlang der Fernstraßen, die schneller umsetzbare und kostengünstigere Lösung, um E-Mobilität wirklich langstreckentauglich zu machen“, bringt es Andreas Radics auf den Punkt.

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Wolfgang Gomoll

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Wolfgang Gomoll beschäftigt sich mit dem Thema Elektromobilität und Elektroautos und verfasst für press:inform spannende Einblicke aus der E-Szene. Auf Elektroauto-News.net teilt er diese mit uns. Teils exklusiv!
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Michael Neißendorfer:

Nun, das müssen Sie mit den Technikern von Stellantis klären, wie die das technologische Wunder vollbracht haben. Es ist ausdrücklich von DC die Rede, hier die Infos aus der Pressemeldung:

Die „Arena del Futuro“ wird mit Gleichstrom (DC) angetrieben, was mehrere konkrete und einzigartige Vorteile bietet, darunter:

Verringerung der Leistungsverluste bei der Energieverteilung;
Gewährleistung einer direkten Integration mit erneuerbaren Energiequellen ohne die Notwendigkeit, Gleichstrom in Wechselstrom umzuwandeln;
Ermöglicht die Verwendung von dünneren Kabeln als bei der AC-Stromverteilung – mit Vorteilen in Bezug auf Verpackung, Gewicht und Oberschwingungsbelastung; sowie
Verwendung von Aluminiumkabeln für die Stromverteilung. Diese sind leichter zu beschaffen, kosten im Vergleich zu Kupfer nur die Hälfte und können im Rahmen eines Geschäftsmodells der Kreislaufwirtschaft einfacher recycelt werden.

Helmut Lawrinenko:

Zu Stellantis schreiben Sie: “Die Techniker setzen auf Gleichstrom (DC) ohne Wandlungsverluste”.
In Ihrem Artikel geht es doch um induktives Laden, oder, und nicht um Schleifkontakte?
Induktive Energieübertragung mittels Gleichstrom wäre ein Wunder! Physikalisch ist das nicht möglich. Man könnte zwar den “Gleichstrom” pulsen, aber das ist dann kein Gleichstrom mehr.

Kona64:

Induktives Laden mag schon kommen, aber sicher nur im Stand z.B. im Parkhaus oder der eigenen Garage. Die Kosten dies in die Straße einzubauen sind zu hoch, der Nutzen zu gering. Ein Auto wird im Schnitt nur eine Stunde und 40 km am Tag bewegt. Meist doch für die Fahrt zur Arbeit, Einkaufen oder Freizeit. Dann müsste all diese Straßen umgerüstet werden. Das wird nicht passieren.

Daniel W.:

Armes Deutschland – keine Zeit zum Laden beim Arbeitgeber, beim Einkaufen im Bau- und Supermarkt, beim Besuch vom Bädern, Fitness-Studios, Zoos und Freizeitparks sowie für eine kleine Pause auf der Autobahn – es wird höchste Zeit für Tempo 120 / 80 / 30 zur Entschleunigung.

Philipp:

Eine Autobahn ist aber ganz anderen Umwelteinflüssen ausgesetzt, als die Situation bei Slotcars.
Über Autobahnen fahren dauernd LKWs >25t, hat dabei -20 bis +80°C (schwarzer Asphalt in der Sonne), häufig Schnee oder relevanten Wasserbelag, vom konstanten Abrieb durch die ganze Befahrung ganz abgesehen.

Einen definierten Abstand sicherzustellen halte ich unter diesen Bedingungen auch für sehr anspruchsvoll, insbesondere soll es ja auch kostengünstig bleiben…

Das Induktionsnetz muss dann auch bezahlt werden mit der Folge, dass Induktionsstrom deutlich teurer kommen wird, als Säulenstrom. Dann greifen doch wieder die meisten zum größeren Akku, der eben auch andere Vorteile hat als nur auf Langstrecke das Warten an der Säule zu verkürzen.
Und wenn die Masse fehlt, verteilen sich die Kosten auf noch weniger Nutzer – Catch 22

Marc:

Ich denke, die ganze Sache ist zu schwarzmalerisch analysiert. Eine bodennahe Kontakteinheit nicht unähnlich des Schleifers bei Slotcars könnte die Distanz gut verringern und bräuchte keinen Schlitz in der Fahrbahn. Zudem ist die Technik noch im Bereich höherer Leistungen nicht ausgereift. Drittens, werden Adapter zur Induktion garantiert in die Serie einfließen, weil sie demnächst Teil der ISO 15118-20 sind.

Wenn das induktive Laden auf Autobahnen trotzdem nicht kommt, liegt das daran, dass in wenigen Jahren die Akkutechnik solche Sprünge gemacht hat, dass man es schlicht nicht mehr nötig hat. So simpel wird die Erklärung sein.

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