Mini Aceman Fahrbericht: E-Kompromiss zwischen Citycar & SUV

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Wolfgang Plank

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  —  Lesedauer 5 min

Keine Sekunde hat Alec Issigonis daran gedacht, dass er eines Tages einen Zwiespalt heraufbeschwören würde. Dummerweise nämlich hat nahezu jeder, der nicht sehr jung ist, den Drei-Meter-Winzling vor Augen, welchen der geniale Tüftler Ende der 1950er-Jahre auf eine Serviette kritzelte. Moderne Käufer verlangen indes nahezu reflexhaft nach einem SUV.

Daran hat sich auch beim Elektroauto nicht viel geändert. Und so kommt es, dass der Wunsch nach Platz, Komfort und Bodenfreiheit Zweifel sät am Namen. Im Grunde ist der Mini eigentlich schon ein Midi und könnte in nächster Generation gar zum Maxi werden. Was sehr schade wäre, weil es davon schon viel zu viele gibt.

Mini Aceman: Ein gelungener Kompromiss?

Mittendrin in diesem Dilemma behelfen sie sich bei der BMW-Tochter mit einem gelungenen Kompromiss namens Aceman. Der ist vorne trotz dezentem Unterfahrschutz ganz Kulleraugen-Mini, seitlich und vor allem hinten aber rustikaler Countryman. Optisch – und mit gut vier Metern Länge auch in Sachen Abmessungen – also ein passgenaues Mittelding der Marke. Nur nicht beim Antrieb, da bekennt sich der Neue kompromisslos zum Elektromotor – Nostalgie hin oder her.

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Der leitet im Basismodell „E“ 135 kW (184 PS) an die Vorderräder, schafft es in 7,9 Sekunden zur dreistelligen Tacho-Anzeige und erlaubt ein Maximaltempo von 160. In der stärkeren Version „SE“ sind es 160 kW (218 PS), 7,1 Sekunden für den Standardspurt und eine Spitzengeschwindigkeit von 170. Beide Modelle sind damit für den üblichen Alltag bestens gerüstet. Nicht bloß dank der spontanen Kraftentfaltung, sondern auch wegen des exakten Gegenteils bis hin zum gelungenen One-Pedal-Driving.

Unterschiede gibt es auch beim Akku. Die schwächere Variante bringt es auf 42,5 kWh Energiegehalt und 310 Kilometer Reichweite, die stärkere auf 54,2 kWh und immerhin 406 Kilometer. Sämtliche Werte ähneln nicht ohne Grund den Ora-Modellen von Great Wall Motor: Briten und Chinesen teilen sich brüderlich eine Plattform.

Im Prinzip jedenfalls. Speziell beim Fahrwerk wollen die Mini-Entwickler dann schon doch noch ihr eigenes Ding machen. In Sachen Gokart-Feeling hat man schließlich einen Ruf zu verteidigen. Der Bretthart-Modus gelingt zwar auch beim Aceman, allerdings wirkt er dort etwas bemüht und nicht wirklich stimmig. Zumal man für den kleinen Kurvenhunger zwischendurch schon mit der klug zwischen sportlich straff und ausreichend komfortabel angesiedelten Serienabstimmung bestens gerüstet ist.

Ebenfalls überzeugend arbeitet die gut austarierte Lenkung, und bevor die 19-Zöller allzu sehr radieren, bremst eher die nur knapp konturierte Sitzfläche allzu flotte Bewegungen um die Hochachse. Und so lassen sich im Grenzbereich die knapp 1,8 Tonnen bei leichtem Untersteuern gut kontrollierbar einhegen. Was bei ambitionierter Arbeit am Lenkrad allerdings stört, ist die weder klapp- noch verschiebbare Mittelarmlehne.

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Doch egal, ob man nun gemäßigt unterwegs ist oder gepflegt – irgendwann ist der Saft alle. An der Wallbox lässt sich mit den üblichen 11 kW zapfen, bei Gleichstrom am Schnelllader kommt der Acemann E indes nur auf überschaubare 75 kW, der SE immerhin auf 95. Da dauert die 80-Prozent-Füllung dann doch eine halbe Stunde. In der Zeit sind manche Konkurrenzmodelle schon wieder unterwegs.

Viel Platz bei wenig Fläche – das verspricht der Mini Aceman

Geblieben ist die Grundidee des Mini: viel Platz bei wenig Fläche. Heißt im Fall Aceman: Man sitzt vorne sehr auskömmlich, umgeben von schickem Zweifarb-Strick aus recyceltem Polyester. Auch in zweiter Reihe hat’s dank 2,60 Meter Radstand reichlich Raum. Wer lieber Last als Leute chauffiert: Bei voller Bestuhlung kommen im Laderaum 300 Liter unter, maximal packt der Aceman etwas mehr als einen Kubikmeter weg.

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Das spartanisch anmutende Cockpit ist eine Hommage an den Oldie. Das runde OLED-Display bringt es auf 24 Zentimeter Durchmesser, darunter sitzt die neugestaltete Leiste für die wichtigsten Fahrfunktionen. Wie schön, dass es in Zeiten des Touchscreen-Overkills noch traditionelle Kippschalter gibt. Assistenz ist reichlich an Bord – und wer mag, kann über „Hey Mini!“ den ersten vollwertigen Sprachassistenten der Marke aktivieren. Drumherum gesellt sich allerlei Schnickschnack. Zwei Projektoren werfen bunte Muster auf das Armaturenbrett, aus dem Off schallt künstlicher Motorsound – und für die Rückleuchten stehen drei Grafiken zur Auswahl. Was wohl Sir Alec Issigonis dazu gesagt hätte?

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Ganz sicher hätte ihm der Parkassistent gefallen. Mit Hilfe von einem Dutzend Ultraschallsensoren und vier Surround-View-Kameras erkennt der Aceman freie Plätze und lässt sich sogar per Smartphone von außen hinein und wieder hinaus navigieren. Da verliert selbst die engste Lücke ihren Schrecken. Und irgendwie cool ist die Fernsteuerung selbstverständlich auch. Auf jeden Fall nichts für Spießer.

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Zu haben ist Minis Jüngster ab sofort. Die Preise beginnen bei 30.650 Euro, vielleicht lohnt aber ein bisschen Geduld. Erstmals nämlich wird mit dem Aceman demnächst ein E-Auto in der Version „John Cooper Works“ vom Band rollen. Bislang war das hauseigene Ballermann-Siegel ausschließlich potenten Verbrenner-Minis vorbehalten. Den Aceman JCW treibt ein 190 kW (258 PS) starker Elektromotor, der dann auch die magische Tempomarke von 200 erreicht. Der 54-kWh-Akku soll für 355 Kilometer Reichweite gut sein. Wobei man halt nur das eine haben kann oder das andere. Aber wer würde schon einen Cooper fahren, um Strom zu sparen?

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Wolfgang Plank ist freier Journalist und hat ein Faible für Autos, Politik und Motorsport. Tauscht deshalb den Platz am Schreibtisch gerne mal mit dem Schalensitz im Rallyeauto.
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