Auto China 2023 in Shanghai: Für Europa wird es schwer

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Stefan Grundhoff
Stefan Grundhoff
  —  Lesedauer 6 min

Auch wenn die Pandemie gerade in China noch nicht beendet ist, blickt die Autowelt erstmals wieder mit großer Aufmerksamkeit nach Shanghai. Die wichtigste Automesse der vergangenen Jahre zeigt, dass die heimische Autoindustrie selbstbewusster und besser denn je geworden ist. Gerade für die einst so erfolgreichen Europa-Marken wird es schwerer denn je.

Auto Shanghai zieht die Marken nach China

China ist wieder offen und so strömt die Autowelt nach Shanghai, wo zum ersten Mal nach mehr als drei Jahren wieder die Auto China als bedeutendste Messe der Welt stattfindet. Vorbei die Zeiten, in denen die Messen in Shanghai, Peking und Guangzhou trotz ihrer Größen allein regionale Bedeutung hatten. Viele der ausländischen Firmen waren mit ihrem Topmanagement drei Jahre nicht hier; entsprechend groß ist dieses Jahr der Andrang zum National Exhibition and Convention Center in Shanghai. Alle, die in der Autowelt etwas auf sich halten, sind hier und wollen sehen, wie sich der wichtigste Automarkt in den vergangenen drei Jahren entwickelt hat. Und die Neuheiten der heimischen Marken lassen selbst vielen Autoexperten die Münder offenstehen.

Stärker als von vielen erwartet, hat sich China mittlerweile auf die Elektromobilität eingeschworen. Rund ein Drittel aller neu zugelassenen Fahrzeuge verfügen über einen Stecker, sind als Plug-in-Hybrid oder allein mit einem E-Motor elektrisch angetrieben. Großkonzerne wie SAIC, BYD, Great Wall und Geely haben nicht nur neue Autos, sondern in erster Linie neue Marken unterschiedlichster Ausrichtung kreiert, die mit gefälligem Design und modernster Technik bei der heimischen Bevölkerung punkten und fit für die Weltreise sind.

Chinesische Hersteller setzen voll auf Elektrifizierung

Auf der Messe in Shanghai versucht kaum einer der heimischen Hersteller noch, mit Verbrennungsmotoren zu glänzen. Der Blick in die automobile Zukunft an den mächtigen Messeständen von Zeekr, Roewe, MG, Haval oder Great Wall ist ebenso sehenswert wie elektrisch. Die Kopierorgien vergangener Zeiten waren schon vor der Pandemie weitgehend verschwunden. Trotzdem ist das ein oder andere Autodesign allemal gekonnt und durchaus gefällig bei europäischen Modellen angelehnt. Mittlerweile stimmt allerdings auch die Qualität im Innern, gepaart mit modernsten Fahrerassistenzsystemen und gigantischen Displays. Mit einem Fingerstreich lässt sich der Inhalt des 19-Zoll-Zentralbildschirm wahlweise zu Beifahrer oder Fahrer herüberschieben.

Viele der zahllosen chinesischen Marken werden nicht nach Europa kommen; andere wie Great Wall, Geely oder Nio haben Europa längst im Fokus. Als nächstes macht sich mit Zeekr, der Premiumableger von Geely auf, den alten Kontinent zu erobern: „Erst vor zwei Jahren präsentierten wir unser erstes hochmodernes Elektrofahrzeug, den Zeekr 001. Und unser Portfolio ist weiter gewachsen – zunächst kam der Zeekr 009 hinzu und nun der Zeekr X, wodurch wir unser Wachstumspotenzial weiter ausbauen konnten“, so Zeekr-CEO Andy An, „aufbauend auf diesem Erfolg freuen wir uns schon jetzt darauf, unsere Marke als wichtigen Schritt unserer Wachstumsstrategie auf dem europäischen Markt vorzustellen.“

China denkt Autos kurzlebiger

Keine große Überraschung, dass auf der Auto Shanghai in erster Linie die heimischen Marken Glanzlichter setzen. Doch wer beispielsweise die Halle sechs besucht, dem gehen die Augen über. Gefälliges Design, kraftvolle Elektromotoren und Türen, die sich auf Gesichtserkennung von Geisterhand öffnen, gibt es ebenso wie Lidar-Sensoren, Massagesessel auf allen Plätzen, inszenierte Lichttechnik und ein Design, dass insbesondere die europäischen Marken unter Druck setzt. In Europa wird nach wie vor in siebenjährigen Modellzyklen gedacht, bei dem die Fahrzeuge durch dezente Überarbeitungen zur Mitte der Laufzeit frisch gehalten werden.

Die chinesischen Marken sind innovativer, schneller und auch mutiger; sie können sich nicht auf Tradition und historische Markenkerne berufen, doch das scheint die chinesischen Kunden immer weniger zu interessieren. Ihnen geht es um einen guten Deal – viel Auto für möglichst wenig Zaster. Obligatorisch sind eine perfekte Vernetzung, nebst WeChat-Integration (das chinesische WhatsApp), bei dem während der Fahrt bezahlt oder mit der Community diskutiert wird. Die großen Displays machen im digitalen Alltag mehr als Sinn. Dazu kommen Gesichtserkennung, Gestensteuerung und eine Bedienung per Sprache nebst künstlicher Intelligenz.

Deutsche Marken vor Problemen in China

Derweil ist die Marktlage schwierig. Die europäischen Marken sind mehr denn je unter Druck, denn es läuft aktuell nicht besonders. Gerade die Elektromodelle der deutschen Hersteller hinken deutlich hinter den China-Modellen hinterher. Sie sind deutlich günstiger, bieten die geforderte Vernetzung, sind schön anzuschauen und ihre Bildschirme im Innern sind Teil des mobilen Lebens. Gerade die Premiummarken aus deutschen Landen mühen sich zu kontern, denn sie sind sich der ernsten Lage bewusst. Die Konzerne von Volkswagen, BMW oder Mercedes machen hier im Autoland der unbegrenzten Möglichkeiten einen großen Teil ihrer Gewinne. Den Markt einfach wieder zurück an die aufstrebenden Heimspieler zurückzugeben, kommt schon wegen der so starken chinesischen Kooperationspartner nicht infrage. Premium spielen hier bereits die heimischen Marken in ihrer jeweiligen Konzernabstufung und so führt der Weg in eine erfolgreiche Elektrozukunft nur über den Luxus.

Luxus und Performance aus Deutschland für China und die Welt

Kein Wunder, dass BMW hier sein neues Topmodell i7 M70 xDrive, eine 660 PS starke Luxuslimousine vorstellt. Die ist ebenso elektrisch angetrieben wie der Mercedes Maybach EQS SUV – ebenfalls das neue Aushängeschild aus dem Mercedes-Markenverbund. Die Zwölfzylinder von einst wurden längst durch leistungsstarke Elektromotoren abgelöst – innen maximaler Luxus – außen mächtig Eindruck. Porsche präsentiert in China seinen gründlich aufgefrischten Cayenne – nicht rein elektrisch; aber zumindest als Plug-in-Hybrid mit bis zu 80 Kilometern elektrischer Reichweite.

Noch mehr Power offeriert der bullige BMW XM Label Red – ein Power-Hybrid mit knapp 750 PS. Auch Volkswagen kann Luxus – nur eben für die breite Masse. Der VW ID.7 feiert seine Weltpremiere – natürlich ebenfalls in Shanghai und mit so viel Ausstattung und Komfort, dass der elektrische Passat der Fünf-Meter-Klasse das Tor zur Premiumliga weiter denn je aufstößt – mit Fahrerassistenz der Zukunft und Reichweiten von bis zu 700 Kilometern.

Beinahe in diese Sphären stößt auch der Polestar 4. Die Elektroschweden gehören seit Jahren zum Geely Konzern und so ist die Auto Shanghai für Polestar und seinen Vierer ebenso ein Heimspiel wie für die Schwestermarke Volvo, die erstmals auf dem Heimatmarkt China den edlen EX90 präsentiert. Ein paar Klassen darunter, ebenfalls elektrisch und chinesisch: der neue Smart #3. Allein für den chinesischen Markt gedacht ist der neue BMW iX1 in der obligatorischen Version mit langem Radstand.

Ebenfalls nur für den chinesischen Markt der Audi Q5 Etron, der große Bruder des Q4 mit nahezu identischer Technik und gefälligem Aussehen. Audi-CEO Markus Duesmann: „Zusammen mit unseren chinesischen Partnern legen wir den Grundstein für anhaltenden Erfolg in unserem größten Einzelmarkt und treiben die Transformation unseres Geschäftsmodells voran. Deshalb ist es für uns entscheidend, auf die spezifischen Anforderungen unserer chinesischen Kunden einzugehen.“ Und gerade hierauf bezogen gibt es für die Europäer einiges zu tun, denn sonst ist der chinesische Transrapid abgefahren.

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist Firmeninhaber und Geschäftsführer von press-inform und press-inform consult. Er ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.
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Groß:

Du verschließt vor der Realität die Augen.
bis zur Mittelklasse haben die deutschen Hersteller schon verloren.
Bis in 2 oder 3 Jahren auch die Oberklasse.
Blindes Reden und Eigenlob auf deutsche Autos lassen den internationalen Abstand zum aktuellen Stand der Technik nur anwachsen.
Wann öffnet Europa und besonders Deutschland die Augen um zu sehen und zu kennen, dass man die Markführung verloren hat.
Innovative und fexible Unternehmen sind die Gewinner. Und da sind die Deutschen nicht mehr dabei.
Traurig aber wahr.

Matthias Geiger:

Geht die Rechnung für deutsche Autobauer auf ? Chinesische Hersteller werden unseren heimischen Markt von den Kleinwagen bis zur oberen Mittelklasse übernehmen. Ich denke nicht, dass so VW, Audi, BMW, Mercedes in der Reihenfolge die Arbeitsplätze in Deutschland halten können bzw. wollen.

Djebasch:

Naja im Ankündigen ist China aktuell Weltmeister, gibt keine Woche wo nicht wieder irgendeine Zahl zu neuen Akkus gedropt wird die bald kommen soll.
Auf dem Markt sieht man aber nichts…
Der Atto 3 mit Hypercharge sollte schon im letzten September erscheinen in China aber bis heute ist nix zu lesen darüber…

Djebasch:

Ihnen ist aber schon klar das es aktuell über 400 E-Auto Firmen in China gibt?!
Da ist auch der ein oder andere Premium Anbieter dabei und Sie glauben doch nicht das Chinesen keinen Nationalstolz haben…
Für die Deutschen Hersteller bleiben dann nur noch die Prestige Fanatiker über und die werden wenn man nach Altersklasse schaut immer weniger.
Bei Umfragen in den USA fanden die meisten Gutbetuchten Jungen (unter 30) Amis lediglich Mercedes noch Interessant…

Robert:

nun für mich sind Volumenmodelle betahlbare Autos max. 30.000 Euro Neupreis mit vernünftiger Aussattung und da gehört BMW & Mini nicht mehr dazu

EffEll:

Es geht hier allein um den größten Absatzmarkt der Welt und hättest du den Bericht aufmerksam gelesen, wäre dir aufgefallen, dass die deutschen Hersteller in China nur durch Luxus punkten können, da “unsere” Volumenmodelle der Mittelklasse bzw. unteren Mittelklasse gegenüber der schieren Flut dort heimischen Marken viel zu teuer sind, zu wenig (regionalisierter) Features bieten und daher absolut gar nicht konkurrieren können. Deine persönlichen, europäischen Mittelständler-Befindlichkeiten spielen in China keine Rolle. Dort wird das Geld verdient was die Hersteller brauchen, um hierzulande auch mal einen ID.2 anbieten zu können, von dem du wohl eher “träumst”, als von einem i7, der außerhalb der finanziellen Reichweite Normalsterblicher ist. Aber mit diesen Autos kann man eher auf der IAA punkten…

MMM:

Da ist schon was dran, allerdings kann der MEB scheinbar durchaus 220 kW liefern, wie man an den GTX-Modellen ganz gut sehen kann. Damit müsste der APP550 auch im ID.3 möglich sein – vom Package her passt er ja 1:1.
Er wäre dort auch sparsamer als die aktuelle DualMotor-Konfiguration und evtl. auch sparsamer der aktuelle 150 kW Motor.
Eine neue Variante wäre damit also leicht machbar. Und in Verbindung mit dem Frontmotor (und ggf. einem neuen Wandler) auch eine Leistungssteigerung auf insgesamt 270 kW / 367 PS, was für einen ID.4 / Q4 “Performance” ganz gut passen würde.

MMM:

Was sind denn für dich Volumenmodelle?
Es gibt (bei BMW) ja den 1, den 2er, und der Mini gehört auch zum Konzern.
Mercedes gibt das Kompaktwagengeschäft auf, weil es sich nicht rechnet. Von einem Mercedes erwartet man mehr Ausstattung und Komfort als von einem Fiat oder Seat, aber ist nicht bereit, einen entsprechend höheren Preis zu zahlen. Das ist schwer zu kompensieren.
Beim BEV wird das nochmal ausgeprägter, da bekommt es selbst der Marktführer noch nicht hin, einen Kompaktwagen anzubieten. Da reicht aber ein Verweis auf die Zukunft, um die Gemüter zu beruhigen!

MMM:

Das Auto (der i7) ist vor allem in Hinblick auf den chinesischen Markt designed und entwickelt worden. Vor allem dort wird es Verbrenner ablösen, da es nun eine elektrische Alternative gibt – die nicht rundgelutscht (EQS) aussieht, das mögen die Chinesen nicht.
Unternehmen versuchen zu verkaufen, was Kunden nachfragen. Welchen Schuss sollte man denn nicht gehört haben? Welches Angebot möchtest du denn dem chinesischen Millionär machen, der “standesgemäß” vorfahren möchte?
Es mag bitter sein, dass Menschen so egoistisch sind, aber wenn du ihm die Wahl zwischen einem 12 Zyl. Verbrenner und einem elektrischen Kleinwagen bietest, wird er weiterhin Verbrenner fahren. Da ist der i7 doch die bessere Alternative, oder?

Wolfbrecht Gösebert:

“… mir entzieht sich der Reiz eines Verbrenners seit 2012, da haben wir einen Peugeot iOn gekauft,”

Seit Mitte 2012 bin ich ein erstes eAuto selbst (immer mal leihweise) gefahren, konnte es dann aber erst 2014 (gebraucht) hinreichend preiswert kaufen!

“Wir waren damals schon begeistert von der Unabhängigkeit von Tankstellen, der ruckfreien Beschleunigung und vor allem alles ohne Geknatter, Gestank und mit überschaubaren Servicekosten.”

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