Fahrbericht des WEY Coffee 01 mehr als ein Coffee to go

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Jürgen Wolff
Jürgen Wolff
  —  Lesedauer 5 min

Mit WEY versucht nun ein weiterer chinesischer Autohersteller den Einstieg in den europäischen Markt. Dabei bringt die Tochtermarke des Great Wall-Konzerns viel Selbstbewusstsein mit.

Als chinesische Autohersteller vor gut 15 Jahren zum ersten Mal versuchten, mit ihren Fahrzeugen im europäischen Markt einen Reifen auf den Asphalt zu setzen, endete das regelmäßig im Desaster. Der SUV von Landwind zerbröselte beim ADAC-Crashtest geradezu, die Autos von Brilliance zeigten sich als potenzielle Todesfallen. Ganz schnell verschwanden die chinesischen Autos wieder von europäischen Straßen. Jetzt versuchen es eine Handvoll Autobauer aus China erneut in einigen europäischen Märkten. Und zeigen wie WEY mit dem Coffee 01, wie sehr sie seit damals gelernt haben. Der knapp 4,9 Meter lange SUV schnitt beim offiziellen NCAP-Crashtest im September diesen Jahres mit Bestnoten ab: Fünf von fünf Sternen sind bravourös.

Das mit der Sicherheit klappt also. Und sonst? Der Coffee 01 kommt zumindest außen mit modernem, wenn auch nicht aufregend neuem Design. Der riesige, fast schon bedrohlich wirkende Kühlergrill wird umrahmt von schmalen Scheinwerfern (Laserlicht optional) und auch das Heck mit der angenehm großen Ladeklappe könnte von jedem anderen Hersteller stammen. Alles wirkt ein bisschen rundlich, selbst die ausfahrbaren Türgriffe sind windschlüpfrig in die Karosserie integriert. Die Chinesen verzichten auf das übliche Bling-Bling, Chrom ist eher selten zu finden. Mit 4.870 mm Länge, 1.960 mm Breite und 1.690 mm Höhe ist der Coffee 01 trotzdem eine durchaus imposante Erscheinung.

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Anders innen. Da sind die Designer schon mit deutlich mehr Kreativität ans Werk gegangen und bedienen sich bei der Rechnerleistung des Qualcomm Snapdragon 8155-Chips. Das digitale Kombiinstrument vor dem Fahrer ist angenehm klein und übersichtlich ausgefallen, serienmäßig versorgt auch ein Headup-Display mit den nötigsten Informationen. Navigation, Infotainment, Fahrzeugeinstellungen werden vor allem über ein iPad-großes Display gesteuert, ein weiteres Display darunter regelt die Einstellungen der Klimaanlage.

Praktisch ist das nur bedingt – denn viele Dinge, die man unterwegs mal eben neu einstellen will, lassen sich nur über diverse Untermenüs erreichen. Netter Gag: Die in die A-Säule integrierte Kamera zur Überwachung des Fahrers motzt dann sofort los, man solle sich bitte auf die Straße konzentrieren. Gewöhnungsbedürftig auch die Schalte am Lenkrad: keine richtigen Knöpfe, sondern berührungssensible Druckpunkte. Platz ist reichlich, auch in der zweiten Reihe, die dick gepolsterten Sitze sind bequem und vermitteln Klubatmosphäre. Der Kofferraum, im technischen Datenblatt schamhaft unterschlagen, gehört mit 400 Litern nicht unbedingt zu den größten seiner Klasse. Dafür gibt es aber keine Ladekante. Die Lehne der Rückbank ist im Verhältnis 40:20:40 geteilt umklappbar. Die maximale Anhängerlast liegt bei 2.000 Kilogramm.

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Hat man sich erst einmal an die präzise aber arg leichtgängige Lenkung gewöhnt, ist der Coffee 01 ein angenehmer und entspannter Reisewagen. Die Federung ist komfortabel, Kurven- und Geradeauslauf problemlos. Reichlich Kraft liefern dem Plugin-Hybriden zwei Elektro- und ein 2-Liter-Benzinmotor: Ein 135-kW-Elektromotor (184 PS) sitzt an der Hinter- und ein 120 kW-Elektromotor (135 PS) an der Vorderachse, der 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbomotor leistet 204 PS / 150 kW und hat eine Ventilsteuerung nach dem Miller-Zyklus, die den Wirkungsgrad erhöhen soll.

In der Summe 476 PS / 350 kW und 847 Nm maximales Drehmoment sorgen denn für reichlich Vorwärtsdrang. Wer das Gaspedal durchtritt, der kann die für Elektroautos typische Beschleunigung genießen: In fünf Sekunden fliegt der 2,3-Tonner aus dem Stand auf Tempo 100, bei 235 km/h ist die Höchstgeschwindigkeit erreicht (da, wo es gesetzlich erlaubt ist, vermerken die Chinesen im Datenblatt). Die im Fahrzeugboden verbauten Batterien haben eine Kapazität von 39,67 kWh und lassen sich an der Schnellladestation binnen 53 Minuten auf 80 Prozent aufladen. Das langt für eine rein elektrische Reichweite des Allradlers von 146 Kilometer, die Gesamtreichweite liegt bei 800 Kilometer. Der Verbrauch nach WLTP-Norm: 0,4 Liter auf 100 Kilometer, das entspricht einem CO2-Ausstoß von 12 Gramm auf einem Kilometer.

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Bevor der Coffee 01 ab Januar 2024 in Deutschland auf die Straßen kommt, müssen die Ingenieure allerdings noch eine ganze Liste an kleinen aber nervenden Fehlern beheben. Bei einigen der Vorserienmodelle, die man auf knapp 400 Kilometern Strecke rund um Lissabon bei regnerischem Wetter ausprobieren konnte, fühlte man sich zum Beispiel an den guten alten VW Käfer von vor 50 Jahren erinnert: Alle 15 Minuten beschlug die Windschutzscheibe innen. Damals waren reichlich Tempotaschentücher zum Freiwischen an Bord, beim Coffee reicht es, die Scheibenlüftung immer wieder laufen zu lassen.

Nervig auch der Blinker – von selbst stellte er nach dem Abbiegen nur in den seltensten Fällen zurück. Und da er keinerlei Druckpunkte hat, gab es oft genug ein wüstes Hin und Her-Geblinke beim Versuch, ihn manuell auszuschalten. Nicht minder nervig die ansonsten ausgezeichnete Navigationsanzeige: In jedem Kreisverkehr überlagerte die 360-Grad-Kamera-Sicht die Kartendarstellung und das Rätselraten began, welche Ausfahrt nun die richtige ist. Genug zu tun also noch vor der Serienfertigung.

Die Preise, die WEY aufruft, zeigen schnell, dass die Tochtermarke des Great Wall-Konzerns nicht im Billigsektor des europäischen Marktes reüssieren will, wie anfangs die koreanischen oder japanischen Autohersteller. 55.900 Euro für die mit modernen Assistenzsystemen schon überdurchschnittlich gut ausgestattete Basis- und 59.900 Euro für die Premiumversion zeugen durchaus von Selbstbewusstsein.

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Jürgen Wolff

Jürgen Wolff

Jürgen bewegt sich im Umfeld der E-Mobilität und gibt in seinen Fahrberichten Einblicke auf den tagtäglichen Einsatz von E-Autos als auch Plug-In-Hybriden. Er selbst ist für press:inform tätig.
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MMM:

Erste Gedanken:

  • aha, noch ein Chinese, warten wir mal ab
  • nicht schon wieder ein SUV
  • ein PHEV, oh nein

Allerdings mit einem vglw. riesigen Akku (39,67 kWh – ist das brutto?), der es – mit gleich 2 E-Motoren – wirklich vielen Menschen ermöglicht, rein elektrisch unterwegs zu sein. Die 146 km sollten erreichbar sein.
Aber wozu braucht es dann noch einen 2 Liter Turbobenziner? Die Hälfte hätte gereicht.
Woher stammt dieser Motor? Die Chinesen haben nichts wettbewerbsfähiges in diesem Bereich – nie gehabt. Miller-Cycle… vielleicht was von Mazda?
Vielleicht einfach die Batterie nochmal verdoppeln und den Benziner weglassen?

Innenraum: ziemlich gut, Tachodisplay hat eine gute Größe, zusätzlich HUD – top. Die wichtigsten Bedienelemente sind für direkten Zugriff in Hardware, das passt.
Die Mittelkonsole ist aber schon echt mächtig, das geht besser.
Beschlagene Frontscheibe: kommt vor, vielleicht nasse Klamotten? Oder halt die Lüftung laufen lassen.

Nix für mich, aber interessant zu beobachten, wie sich das entwickelt.

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